Ihre Firma hat sich auf Saatgut von Gemüse und Hülsenfrüchten spezialisiert. Erzählen Sie uns doch bitte, was genau das Unternehmen macht.
Die van Waveren Saaten GmbH hat ihren Sitz in Rosdorf bei Göttingen und züchtet seit mehr als 125 Jahren verschiedene Gemüsearten.
Wir verkaufen das Saatgut an unsere Kunden aus der Nahrungsmittelindustrie sowie dem Frischmarktbereich. Unser Hauptmarkt ist dabei Europa, über Lizenznehmer sind wir auch auf dem Nordamerikanischen Markt stark und wir erschließen uns weitere Märkte in Südamerika, Südostasien und Afrika.
Wofür sind Sie persönlich zuständig, was ist Ihr Berufsbild? Was ist das Besondere an Ihrem Job, was motiviert Sie?
Ich bin der Zucht-Koordinator bei der van Waveren Saaten GmbH. Meine Aufgabe ist die Koordination der einzelnen Zuchtprogramme und der interne Austausch zwischen der Zuchtabteilung und den anderen Abteilungen. Weiterhin bin ich für den externen Austausch mit Partnern, wie bspw. nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen und anderen Zuchtunternehmen zuständig.
Das Besondere an meinem Beruf ist die Abwechslung. Man ist in vielen Themenfeldern unterwegs, hat einerseits Kontakt mit der wissenschaftlichen Welt, andererseits besucht man Kunden und besichtigt Feldversuche. Dabei motiviert mich besonders die Zusammenarbeit mit den Kollegen als auch mit den Wissenschaftlern aus Forschungseinrichtungen. Es macht Spaß, gemeinsam Dinge anzustoßen und zu bewegen und wenn am Ende eine neue erfolgreiche Sorte entsteht, freut sich jeder. Bei der Züchtung ziehen sehr viele Menschen an einem Strang.
Welche Gemüsesorten stehen im Fokus Ihrer Züchtungsarbeit?
Weiterhin wichtigste Kulturart für uns ist die Markerbse, die von unseren Kunden angebaut und als Tiefkühl – oder Konservenware oder als Frischmarktware in den Handel geht. Gemüseerbsen sind immer noch eine der weltweit beliebtesten Gemüsearten, und van Waveren kann hier eine jahrzehntelange Expertise als Züchter einfließen lassen.
Seit gut 10 Jahren züchten wir auch Gemüsebohnen. Das war naheliegend, denn die Kunden sind die gleichen. Aus dem Grund haben wir vor fünf Jahren auch mit der Züchtung von Süßmais und Edamame begonnen. Gleiche Kunden, gleiche Vertriebswege, viele Synergien.
Mit der Proteinerbse und der Stangenbohne haben wir noch zwei Kulturen, die in erster Linie als Proteinquelle dienen. Bei der Proteinerbse wird hier auf die menschliche Ernährung abgezielt. Pflanzenbasierte Proteine stehen seit jüngerer Zeit als Alternative zu tierischen Proteinen im Fokus, wobei die Erbse neben der Ackerbohne die wichtigste einheimische Leguminose ist.
Stangenbohnen sind wiederum ein wunderbarer Gemengepartner für Silagemais, da sie den Proteingehalt der Silage signifikant erhöhen und somit die deutschen Nutzviehhalter unabhängiger von überseeischen Sojaimporten machen.
Wie trägt van Waveren Saaten zur nachhaltigen Landwirtschaft bei?
Hülsenfrüchtler bilden Wurzelknöllchen aus, in denen die Pflanzen eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingehen. Diese Bakterien können den Stickstoff aus der Luft fixieren und geben diesen Stickstoff an die Pflanze ab.
Durch die Stickstofffixierung der Knöllchenbakterien werden für die Erbse pro Hektar im Schnitt 150 kg Stickstoff aus der Luft gebunden, womit Erbsen nicht auf eine Stickstoffdüngung angewiesen sind und auch nach der Abfahrt des Erntegutes verbleibt über Pflanzenrückstände ein positiver Saldo an Stickstoff im Boden für die nachfolgenden Kulturen.
Eine weitere günstige Eigenschaften von Leguminosen ist die Auflockerung von getreidelastigen Fruchtfolgen und damit einhergehend die Vermeidung von spezifischen Getreidekrankheiten als auch problematischen Beikräutern.
Weiterhin sorgt der Anbau von Leguminosen für eine Erhöhung der Biodiversität in der Art, dass Leguminosen für viele Insekten eine willkommene Nahrungsquelle darstellen.
Das kann man gut am Beispiel des Mais-Stangenbohnengemenges festmachen. Stangenbohnen sehen mit ihren auffallenden Blüten nicht nur hübsch aus, sondern ziehen auch eine Vielzahl Insekten an.
Global gesehen kann durch den heimischen Anbau von Leguminosen dem überseeischen Import von Soja und damit dem nicht nachhaltigen Anbau von Sojabohnen in Amerika entgegengewirkt werden.
Wie hat sich der Markt in den letzten Jahren verändert? Gibt es größeren Bedarf an besonders proteinhaltigen Pflanzen?
Der Anbau von Eiweißpflanzen ist im Fokus der deutschen Politik und es gibt hierzu verschiedene Strategien, speziell den Anbau heimischer Leguminosen zu fördern. So steigt seit rund 10 Jahren wieder die Anbaufläche von Körnerleguminosen. Die Proteinerbse wurde 2014 auf nur gut 40.000 Hektar angebaut, während es in 2024 schon knapp 130.000 Hektar waren. Die Ackerbohne erfuhr im gleichen Zeitraum eine Steigerung von knapp 20.000 Hektar auf gut 60.000 Hektar.
Als Gründe hierfür kann man Greening-Prämien anführen, als auch die 2012 vorgestellte Eiweißpflanzenstrategie, durch die bisher mehr als 40 Millionen Euro in Projekte zur Förderung des Anbaus und der Nutzung von Eiweißpflanzen geflossen sind.
Eine sehr starke Steigerung erfuhr auch das Mais-Stangenbohnengemenge, welches 2024 auf knapp 100.000 ha angebaut wurde, während es 2018 noch gerade mal 400 Hektar waren.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es im Pflanzenbau in Bezug auf geänderte Rahmenbedingungen?
Der Klimawandel trifft die Landwirtschaft hart. Nach den Erfahrungen der Trockenjahre 2018 – 2020 hatte ein Bekannter von mir mit der Idee gespielt, Ackerflächen mit Bodenpunktwerten jenseits der 90 in Solarparks umzuwandeln, weil die Ressource Wasser so begrenzt war.
Noch besorgniserregender als Dürreperioden sind aber extreme Hitzewellen, da oberhalb einer bestimmten Temperatur biologische Prozesse nicht mehr so funktionieren wie sie sollten und die Befruchtung unterbleibt.
Im Zuge des Klimawandels erreichen uns auch mehr Krankheiten, Unkräuter und Schadinsekten. Bei den Erbsen haben wir seit den 2010er Jahren das Problem mit Nanoviren. Diese Viren waren früher nur in wärmeren Weltregionen bekannt, treten aber jetzt auch in Mitteleuropa auf und können zu gravierenden Ertragseinbußen führen.
Weiterhin verlieren wir immer mehr chemische Mittel zur Bekämpfung, insbesondere von Schadinsekten. So läuft die Zulassung für ein Beizmittel gegen die Bohnenfliege dieses Jahr aus. Wird aber die Bohnenfliege nicht bekämpft, ist mit erheblichen Ertragseinbußen zu rechnen, beziehungsweise wird die Buschbohne in Teilen Europas nicht mehr anbauwürdig sein.
Für ein anderes Schadinsekt, die Schilf-Glasflügelzikade, ist aufgrund des langen Flugzeitraums praktisch noch überhaupt keine geeignete Bekämpfungsmöglichkeit bekannt. Diese Zikadenart konnte sich bis vor ein paar Jahren noch kaum in Deutschland vermehren, mittlerweile kann sie sich hier aber halten, saugt an Zuckerrüben und Kartoffeln und überträgt dabei verheerende Bakteriosen und Viren.
Welche Chancen und Risiken sehen Sie?
Von der züchterischen Seite her sehe ich große Chancen in den neuen Züchtungstechnologien. Mittels dieser Technologie können zielgerichtet Gene züchterisch bearbeitet werden. Durch eine Deletion von Basenpaaren kann beispielsweise ein Anfälligkeitsgen für eine wichtige Krankheit ausgeschaltet werden, so dass eine Pflanze entwickelt werden kann, die mit dieser Variante des Genes gegenüber der Krankheit resistent ist.
Vergleichbares geschieht in der konventionellen Züchtung auch, wenn eine Hochleistungssorte mit dem Anfälligkeitsgen mit einer Genbankakzession gekreuzt wird, die diese Deletion in dem Gen aufweist, und anschließend eine markergestützte Selektion der Nachkommenschaft auf Pflanzen mit eben dieser Deletion erfolgt.
Nur dauert die konventionelle Kreuzung ungleich länger, denn man überträgt hierbei nicht nur diese gewünschte Variante des Genes von der Genbankakzession, sondern auch viele nicht gewünschte Gene. Deshalb muss bei der konventionellen Züchtung über viele Jahre hinweg gezüchtet werden, um alle gewünschten Eigenschaften der Hochleistungssorte plus dem Gen mit der Deletion in einer neuen Sorte zu vereinen.
Von daher gesehen sind die neuen Züchtungstechnologien eine enorme Ersparnis an Ressourcen, – sie werden leider nur nicht von den Verbrauchern akzeptiert. Das Problem ist einfach, dass viele Verbraucher in Europa bei dem Thema Grüne Gentechnik immer noch allein die Übertragung artfremder Gene vor Augen haben.
Und das große Risiko besteht, dass sich an dieser Einstellung des Verbrauchers auch in Zukunft nicht viel ändern wird. Die Debatten hierzu gleiten sehr oft auf eine emotionale Ebene ab und es findet eine zu starke Fokussierung auf die hypothetischen Risiken durch `unknown unknowns´ statt.
Gibt es spezifische Projekte oder Initiativen, auf die Sie besonders stolz sind?
Sehr stolz war ich, als wir unseren Kunden hochertragreiche Erbsensorten mit der Kombination zweier wichtiger Resistenzen anbieten konnten. Diese Sorten haben uns viel Lob seitens der Kundschaft eingebracht und sind sehr gut angenommen worden.
Ein weiteres Highlight ist die Entwicklung eines bildgebenden Verfahrens, mit dem wir Bohnenhülsen automatisch beurteilen können. Mit diesem zusammen mit dem Forschungszentrum Jülich entwickelten Verfahren können wir nun viel schneller und mit viel weniger Aufwand diejenigen Sortenkandidaten identifizieren, die die besten Hülsenqualitätsparameter aufweisen.
Weiterhin freue ich mich über die immense Steigerung des Mais-Stangenbohnengemenges, welches aus dem Nichts heraus innerhalb weniger Jahre auf zuletzt fast 100.000 ha angebaut wurde.
Gibt es spezifische Projekte oder Initiativen, die Sie besonders ärgern?
Ich ärgere mich immer dann, wenn für Lösungen Probleme gefunden werden. Mit dem Mais-Stangenbohnengemenge haben wir ein wunderbares Instrument, um den landschaftsprägenden Einfluss der vielen Maisfelder aufzulockern. Gerade am Rand präsentieren sich die Stangenbohnen von ihrer besten Seite und setzen mit ihren vielen Blüten einen tollen Kontrast zu den Maispflanzen. Leider wird das Mais-Stangenbohnengemenge ab 2026 nicht mehr als eigenständige Kultur eingestuft werden, sondern dem Mais zugeschlagen, so dass ab 2026 kein Fruchtwechsel mehr durch den wechselnden Anbau dieser beiden Kulturen gegeben ist.
Dadurch entfällt ein großer Anreiz für die Landwirte das Mais-Stangenbohnengemenge anzubauen, denn für die Milchviehhalter ist es lohnend, der Vorgabe nach Fruchtwechsel durch einen Wechsel von Mais in Reinkultur zu einer Mais-Stangenbohnen-Mischkultur nachzukommen.
Möglicherweise wird das Gemenge durch diese Änderung genauso schnell wieder aus dem Landschaftsbild verschwinden, wie es zuvor an Anbauflächen zugenommen hat. Was schade ist – für unzählige Insekten, viele Landwirte und alle, die sich an den blühenden Stangenbohnen in der Landschaft erfreut haben.
Vielen Dank für das Interview!
Du möchtest wissen was wir in Zukuft essen? Dann findest du in unserem Interview mit Godo Röben spannende Einblicke.

Lies in unserem Blogbeitrag „Alternative Proteinquellen – Die Zukunft der Ernährung?“, wie Insekten, Pflanzen und Hightech-Fermentation unsere Teller revolutionieren könnten.
