Stellen Sie sich und Ihren bisherigen Werdegang einmal kurz vor.
Ich bin seit vielen Jahren in der Lebensmittelbranche tätig und berate Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von pflanzlichen Produkten. Mein Schwerpunkt liegt auf alternativen Proteinen – von der Produktentwicklung über Zutaten und Zusatzstoffe bis hin zur Sortimentsstrategie.
Ich arbeite mit großen Einzelhändlern wie Lidl und Rewe zusammen und unterstütze Marken wie Billie Green dabei, sich im Markt zu positionieren und weiterzuentwickeln.
Wie hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Fleischalternativen in den letzten Jahren verändert?
Vor einigen Jahren galten Fleischalternativen noch als „Nischenprodukte für Veganer“. Heute greifen auch Flexitarier und sogar überzeugte Fleischesser regelmäßig dazu. Die Akzeptanz ist enorm gestiegen, vor allem, weil die Qualität der Produkte mittlerweile überzeugt.

Welche Zielgruppen greifen Ihrer Meinung nach am häufigsten zu Fleischersatzprodukten, und warum?
Die größte Gruppe sind Flexitarier – Menschen, die Fleisch reduzieren, aber nicht komplett darauf verzichten möchten. Ihnen geht es oft um Gesundheit, Nachhaltigkeit oder einfach um Abwechslung. Daneben gibt es natürlich Veganer und Vegetarier, aber auch jüngere Generationen, die sich für nachhaltige Ernährung interessieren.
Was sind die wichtigsten Faktoren, die Verbraucher beim Kauf von Fleischalternativen berücksichtigen?
Geschmack steht an erster Stelle – wenn das Produkt nicht überzeugt, wird es nicht wieder gekauft. Danach kommen Aspekte wie Zutatenliste, Proteingehalt, Verarbeitung und Preis. Viele Verbraucher wünschen sich zudem eine klare Kennzeichnung und möglichst natürliche Zutaten.
Inwieweit beeinflusst die mediale Berichterstattung den Erfolg von innovativen Produkten?
Medien haben einen starken Einfluss – sowohl positiv als auch negativ. Ein gutes Beispiel ist die Diskussion um die „Ultra-Processed Foods“ (hochverarbeitete Lebensmittel). Wenn ein Produkt als ungesund dargestellt wird, kann das die Nachfrage bremsen. Gleichzeitig können positive Berichte über Nachhaltigkeit oder innovative Zutaten die Akzeptanz und den Absatz steigern.
Wie bewerten Sie die Nährstoffzusammensetzung von Fleischalternativen im Vergleich zu Fleisch?
Fleischalternativen können ernährungsphysiologisch durchaus mithalten – und in manchen Fällen sogar überlegen sein. Viele Produkte haben einen hohen Proteingehalt, enthalten keine gesättigten Fette und sind reich an Ballaststoffen. Es gibt aber auch Herausforderungen, etwa beim Eisengehalt oder bestimmten Aminosäuren, weshalb eine clevere Rezepturentwicklung entscheidend ist.
Gibt es Bedenken bei der Produktion von Fleischalternativen, beispielsweise durch Verwendung von bestimmten Zusatzstoffen oder weil sie als hochverarbeitet gelten?
Ja, der Vorwurf der „Hochverarbeitung“ ist eine Herausforderung. Allerdings ist das Wort oft irreführend – denn auch Tofu, Brot oder Joghurt sind verarbeitete Lebensmittel. Entscheidend ist, welche Zutaten verwendet werden und ob die Verarbeitung notwendig ist, um eine gute Alternative zu schaffen. Wichtig ist eine transparente Kommunikation, um Verbraucher aufzuklären.
Wie sehen Sie die Zukunft des Fleischersatzmarktes? Gibt es neue Trends oder Technologien, die diesen Markt prägen könnten?
Der Markt entwickelt sich rasant. Wir sehen spannende Innovationen bei fermentationsbasierten Proteinen, kultiviertem Fleisch und proteinreichen Hülsenfrucht-Alternativen. Auch das Thema „Clean Label“ wird immer wichtiger – Verbraucher wünschen sich Produkte mit wenigen, natürlichen Zutaten.
Auf welche Weise kann die Landwirtschaft in die neu entstehende Wertschöpfungskette integriert werden? Welche neuen Möglichkeiten sehen sie?
Die Landwirtschaft ist ein entscheidender Baustein der neuen Wertschöpfungsketten für alternative Proteine. Statt als reiner Rohstofflieferant für Tierfutter oder traditionelle Lebensmittel zu fungieren, kann sie gezielt auf den Anbau pflanzlicher Proteinquellen wie Erbsen, Ackerbohnen oder Lupinen setzen. Damit eröffnen sich Landwirten neue Einkommensquellen – insbesondere, wenn sie direkt mit Lebensmittelherstellern oder Startups kooperieren.
Zusätzlich gewinnen innovative Modelle an Bedeutung: zum Beispiel Partnerschaften mit Lebensmittelproduzenten, die eine garantierte Abnahme der Ernte sichern, oder sogar eigene Verarbeitungsstrukturen aufbauen. Eine weitere Möglichkeit sind regenerative Anbaumethoden, die nicht nur nachhaltiger sind, sondern auch vom Handel zunehmend gefordert werden.
Die Landwirtschaft kann also von diesem Wandel profitieren – wenn sie sich aktiv an der Transformation beteiligt, statt nur auf Vorgaben der Industrie oder Politik zu warten.
Meinen Sie, dass Fleischersatzprodukte eines Tages konventionelles Fleisch vollständig ersetzen könnten?
Der Markt entwickelt sich rasant. Wir sehen spannende Innovationen bei fermentationsbasierten Proteinen, kultiviertem Fleisch und proteinreichen Hülsenfrucht-Alternativen. Auch das Thema „Clean Label“ wird immer wichtiger – Verbraucher wünschen sich Produkte mit wenigen, natürlichen Zutaten.
Was würden Sie Verbrauchern oder der Branche sagen, die skeptisch gegenüber Fleischalternativen sind?
Probieren geht über Studieren! Viele Skeptiker haben alte Vorurteile, kennen aber die neuesten Produkte noch nicht. Die Branche muss hier mit besserer Aufklärung arbeiten – Transparenz und ehrliche Kommunikation sind entscheidend.
Welche Rolle spielen politische und regulatorische Maßnahmen bei der Lenkung des Konsumverhaltens?
Eine große Rolle. Subventionen für nachhaltige Proteine oder eine faire Besteuerung von Fleisch könnten den Wandel beschleunigen. Auch die Kennzeichnungspflicht für CO₂-Fußabdrücke könnte Verbraucher bewusster entscheiden lassen.
Was ist Ihre persönliche Vision für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass pflanzliche Alternativen noch mehr zur Normalität werden – geschmacklich überzeugend, einfach verfügbar und für alle erschwinglich. Wenn wir es schaffen, die Ernährung nachhaltiger und gesünder zu gestalten, profitieren alle: Verbraucher, Unternehmen und der Planet.
Vielen Dank für das Interview!