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Interview

Stall der Zukunft – Wie sieht Tierwohl im Bereich der Haltung aus?

Der Stall der Zukunft Bernd Meerpohl
Bernd Meerpohl, Vorstandsvorsitzender Big Dutchman Vechta

In den vorherigen Passagen wurde die Tierhaltung immer wieder erwähnt, sodass wir uns einmal genau anschauen, welche Lösungsansätze die Stallbauer für ein „Mehr an Tierwohl“ entwickelt haben. Wir haben dazu den Big Dutchman-Vorstandsvorsitzenden Bernd Meerpohl befragt.

Herr Meerpohl, was verstehen Sie eigentlich unter dem „Stall der Zukunft“ im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Tierwohldebatte?

Ein Großteil der heutigen Gesellschaft möchte das Wohl landwirtschaftlicher Nutztiere besser geschützt wissen. In Bezug auf die Schweinehaltung geht es den Bürgern*innen dabei laut Umfragen vor allem um das Platzangebot, die Bodenbeschaffenheit, Licht- und Klimaverhältnisse – möglichst mit Außenklimareizen – sowie um Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere.

Gibt es eigentlich DEN Stall der Zukunft?

Es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Konzepten, denn es geht um Ferkel oder Mastschweine oder Sauen. Und die haben jeweils durchaus unterschiedliche Bedürfnisse. In allen Konzepten sind aber Gemeinsamkeiten wiederzufinden. Die wesentlichen Säulen sind: Transparenz schaffen, Einstreu ermöglichen, Tiere in Gruppen halten und ein großzügiges Platzangebot mit Wahlmöglichkeiten darstellen. Der Außenklimareiz wird in einigen Konzepten ebenfalls berücksichtigt. Vielfach ist der Ringelschwanz am Schwein dargestellt.

Herr Meerpohl, wie sollte ihrer Meinung nach der optimale Tierwohlstall aussehen?

Alle Konzepte und Techniken sollten das Ziel haben, den Ringelschwanz zu erhalten und ressourcenschonender zu arbeiten. Wir wissen heute, dass Tierhalter*innen einiges dafür tun können, Schweine unversehrt mit einem langen Schwanz aufzuziehen, jedoch müssen dazu die Raumgestaltung, klimatischen Bedingungen, die Fütterung und das Management in einem guten Einklang sein. Dies spiegelt sich auch in den Stallsystemen der Zukunft wider. Sie orientieren sich an der Lebensweise der Wildschweine einerseits als auch an effizienten Managementstrategien der heutigen Schweinehaltung.

Das Anbieten von Wühlmaterialien als auch gute klimatische Bedingungen sollen den Aufenthalt in der Natur „simulieren“. Gleichzeitig dürfen wir jedoch nicht den Nachhaltigkeitsaspekt vernachlässigen. Dies bedeutet, dass wir weiterhin energiesparende Klimasysteme benötigen und Fütterungstechniken haben müssen, die eine hohe tägliche Zunahme bei gleichzeitig verminderten Nährstoffverlusten gewährleisten.

Welche Herausforderungen müssen bewältigt werden, bis ein Tierwohlstall in die Praxis überführt wird?

Die Herausforderungen sind komplex und gehen über die Änderungen von einzelnen Komponenten hinaus: Stallhüllenbau, Entmistungstechnik, Einstreutechnik, Fütterungstechnik, Klimaführung und Arbeitsergonomie und -wirtschaftlichkeit müssen berücksichtigt werden. Am Ende können diese Konzepte nur bewertet werden, wenn in der Praxis mit und in diesen Ställen gearbeitet wurde: Es müssen Schweine in den „Ställen der Zukunft“ leben und Tierhalter*innen darin arbeiten. Sind Konzepte sehr nah an der heutigen Praxis können die neuen Ideen gut erprobt werden und erste Rückschlüsse können recht schnell gezogen werden: z.B. beim Einsatz von geschlossenen Liegeflächen oder erhöhten Ebenen. Sind die neuen Konzepte sehr komplex, so gibt am Ende nur ein neuer Stall oder eine komplette Umgestaltung eines Abteiles Rückschluss über die Erfolgsfaktoren. Das erfordert hohe Investitionen und braucht Zeit.

In beiden Fällen lassen sich die Erfolgsfaktoren der Zukunft weiterhin an den klassischen Erfolgsparametern Tierverluste, tägliche Zunahmen, Futterverwertung und Arbeitszeit messen. Neu hinzukommen werden die Faktoren „Ringelschwanztauglichkeit“ und „Ressourcenschonung“ sowie Betriebssicherheit.

Wie reagieren Sie als Unternehmen auf die geänderten Anforderungen?

Wir arbeiten seit geraumer Zeit mit Hochdruck an vielen Tierwohl-Fronten. Grundsätzlich wird bei uns keine Produktentwicklung mehr neu gestartet, wenn sie am Ende nicht auf ein verbessertes Tierwohl einzahlt. Wir haben viele Ideen und auch schon eine komplette, praxiserprobte Produktlinie mit denen moderne Landwirte*innen das Tierwohl in den Vordergrund stellen, Emissionen verringern und Energie sparen können. Wir bieten Know-how und Equipment zur Erfüllung sämtlicher Tierwohl-Kriterien. Schade nur, dass die Landwirte*innen, die ihre Betriebe weiterentwickeln wollen, vielfach durch verschiedene Hürden ausgebremst werden. Bislang können unsere Kunden*innen, die ein Mehr an Tierwohl umsetzen wollen, kaum mit Stallumbauten beginnen, weil es dafür aufgrund der Gesetzeslage nur schwer oder gar keine Genehmigung gibt. Ein Unding!

Wenn wir wollen, dass die Nutztierhaltung im Land bleibt, brauchen wir dauerhafte Planungs- und Investitionssicherheit für die Landwirte und eine faire Bezahlung des gesellschaftlich erwünschten Mehraufwandes für mehr Tierwohl.

Ich denke, in den Empfehlungen der Borchert-Kommission finden sich dafür viele gute Ansätze.

In der öffentlichen Diskussion fällt immer wieder der Begriff des Zielkonfliktes, wenn wir von Tierwohl sprechen. Was bedeutet dies, wenn wir von einem Tierwohlstall sprechen?

Tierwohl, Tiergesundheit und Umweltschutz können an verschiedenen Stellen miteinander im Konflikt stehen. Ein Stall mit Auslauf für die Schweine beispielsweise gilt als sehr tiergerecht, es gelangen dadurch aber Emissionen in die Umwelt, die im zwangsbelüfteten Strohstall abgefiltert werden könnten. Der Konflikt ist also: Kann man den Außenklimareiz = das Tierwohl über den Emissionseintrag in die Umwelt stellen?

Manchmal behindern sich der Nachhaltigkeits- und der Tierwohlgedanke. Und das Tierwohl wird nicht überall Vorrang vor dem Emissionsschutz haben. Aber es gibt im Hinblick auf den geschilderten Zielkonflikt bereits Lösungen, die die Emissionen durch die Form der Haltung und durch technische Einbauten im Stall schon senken. Bei diesen Konzepten gewinnen sowohl die Schweine als auch die Betreiber, denn die Stallluft hat eine bessere Qualität.

Was ist Ihrer Meinung nach der „Stall der Zukunft“?

In Zeiten wachsender Anforderungen an Tierwohl, Biosicherheit, Umweltschutz und im Hinblick auf die zunehmende Notwendigkeit, nachhaltig und ressourcenschonend zu agieren, ist es eine große Herausforderung, den Stall der Zukunft so zu gestalten, dass wir eine politisch und gesellschaftlich anerkannte Legitimation für die Tierhaltung bekommen und somit weiterhin unseren Beitrag zur Humanernährung leisten zu können.

Der Stall der Zukunft wird kein Retro-Stall sein. Digitalisierung, Sensorik und Robotik wird eine entscheidende Rolle spielen. Der Stall der Zukunft wird Technik und Elektronik enthalten, die den Tierhalter in Entscheidungen unterstützen und Arbeiten effizienter gestalten. Dies kommt dann ebenfalls dem Schwein zugute, weil der/die Landwirt*in sich auf die wesentlichen Probleme konzentrieren kann, wenn alle anderen Prozesse im Fluss sind. Entscheidungen können viel besser und gezielter sowie datengestützt getroffen werden. Rückwirkend können Auswertungen helfen, die Entscheidungen zu reflektieren und im nächsten Durchgang bessere Entscheidungen zu treffen.

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