Im Lebensmitteleinzelhandel können Verbraucher:innen an diversen Labeln erkennen, welche Eigenschaften das Produkt führt. So kann an Labeln beispielsweise die Regionalität, der Grad der Fairness oder die Produktionsart erkannt werden. Das Label zu der Haltungsform wird von den Lebensmittelproduzent:innen bisher auf freiwilliger Basis auf den Verpackungen aufgedruckt.
Umfragen zeigen, dass Konsument:innen Interesse haben, wie die Tiere gehalten wurden. So gaben in einer Umfrage für den Ernährungsreport 2022 des Bundeslandwirtschaftsministeriums 87 Prozent der Befragten an, dass ihnen eine verbindliche, staatliche Tierhaltungskennzeichnung wichtig oder sogar sehr wichtig wäre.
Im Juni 2022 stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seinen Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes vor. Was es damit auf sich hat und welchen Weg der Gesetzentwurf geht, möchten wir in diesem Beitrag zeigen:
Wie soll die staatliche Tierhaltungskennzeichnung aussehen?
Die Haltungsformen unterscheiden sich durch verschiedene Anforderungen, die an die Haltung der Tiere während der Mast gestellt werden.
Eingeführt wird die staatliche Tierhaltungskennzeichnung schrittweise. Begonnen wird mit frischem, gekühltem oder gefrorenem Schweinefleisch, welches im Lebensmitteleinzelhandel, online oder in einer Fleischerei erworben werden kann.
Im Laufe der Legislaturperiode sollen die weiteren Vermarktungswege, zu denen die Gastronomie und die Außerhausverpflegung gehören, einbezogen werden. Dasselbe gilt für die weiteren Tierarten, zu denen die Rinder und das Geflügel gezählt werden.
Wie sind die Kosten der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung?
Über die wirtschaftlichen Kosten des staatlichen Tierwohl-Labels ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts in dem Gesetzentwurf formuliert.
Das Kompetenznetzwerk Landwirtschaft, welches als Borchert-Kommission bekannt ist, hat im Jahr 2020 erste Vorschläge für die Art der Finanzierung formuliert. Die Mehrkosten, welche für ein höheres Tierwohlniveau in den Stallungen aufkommen, sollen durch Investitionsförderung und Prämien gedeckt werden.
Der Weg des Labels
Der Entwurf der Bundesregierung zu der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung ist bei dem Agrarausschuss des Bundesrates auf Kritik gestoßen und wurde mehrheitlich abgelehnt.
Die Tatsache, dass die in dem Gesetzentwurf gestellten Haltungsanforderungen sich ausschließlich auf den Lebensabschnitt der Mast beziehen, wurde von den Ländern kritisiert. Ebenso kritisierten sie, dass sich das staatliche Label zuerst ausschließlich auf frisches, gekühltes oder gefrorenes Schweinefleisch, welches im Lebensmitteleinzelhandel, online oder in einer Fleischerei erworben werden kann, bezieht. Die Länder hätten sich eine flächendeckende Einführung für alle Lebensabschnitte und Tierarten gewünscht.
Des Weiteren wurde angemerkt, dass es ein etabliertes und von den Verbraucher:innen angenommenes Tierwohllabel mit dem Haltungsform-Label gibt, welches im aktuellen Gesetzentwurf außen vorgelassen wurde.
Außerdem stellten die Mitglieder des Bundesrates fest, dass eine nachhaltige Finanzierungsstrategie zur Verbesserung des Tierwohls in dem Gesetzentwurf fehlt.
Die Mitglieder des Agrarausschusses merkten an, dass eine Haltungskennzeichnung mit einer Herkunftskennzeichnung gemeinsam einherkommen sollte. Dies bietet den Verbraucher:innen bestmögliche Transparenz, wo ihr Fleisch herkommt und zusätzlich wo und wie die Tiere gelebt haben.
Der Bundesrat hat Ende November 2022 dem Gesetzentwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz trotz der Kritikpunkte seines Agrarausschusses und mit diversen eigenen Änderungswünschen zugestimmt.
Daraufhin hat Mitte Dezember 2022 der Bundestag in der ersten Lesung über den Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung beraten. Die Abgeordnet:innen kritisierten u.a., dass der Entwurf die inländischen Erzeugnisse gegenüber der Importware benachteiligt und die Brancheninitiative „Initiative Tierwohl“ nicht in die Überlegungen miteinbezieht.
Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft übergeben, welcher bis Februar 2023 Zeit hatte, den Gesetzentwurf zu behandeln.
Im März 2023 wurde vom Bundeslandwirtschaftsministerium der Entwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz angepasst und erneut zur Notifizierung an die EU-Kommission gegeben. Dabei wurde die Haltungsstufe „Auslauf/Freiland“ in „Auslauf/Weide“ umbenannt. Überdies ist für die Unterstützung der laufenden Mehrkosten ein differenzierteres Vorgehen geplant. So sollen beispielsweise nur noch Betriebe mit unter 1.500 Tieren den 80 prozentigen Zuschuss bekommen. Expert:innen erwähnen, dass Tierwohl nichts mit der Größe der Betriebe zu tun hat und mit dem Gesetz eine Bevorzugung weniger Betriebe in höheren Haltungsformen kommt.
Zudem wurden an verschiedenen Stellen Änderungen der Kriterien vorgenommen (z. B. müssen die Betriebe neben der Anzahl der Tiere nun auch das durchschnittliche Gewicht der Tiere am Tag des Einstallens angeben.)
Ungeachtet einiger Anpassungen lässt auch der zweite Entwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir viele fachliche Kritikpunkte offen. Zudem wird von Expert:innen bemerkt, dass die Agrarpolitiker der Bundesländer nicht in den Anpassungsprozess einbezogen wurden.
Trotz dieser Kritikpunkte segnete der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages Mitte April 2023 den Entwurf des Gesetzes ab.
Daraufhin wurde es im Juni 2023 vom Bundestag verabschiedet und konnte bereits am 24. August desselben Jahres in Kraft treten.
#farbebekennen – Unser Fazit:
Das Staatliche Tierwohllabel ist in den Augen von Agrarminister Cem Özdemir eine Möglichkeit, dass die Verbraucher:innen die Haltungsbedingungen der Tiere nachverfolgen können. Das bereits etablierte Tierwohllabel „Haltungsform“ lässt er in dem vorgelegten Gesetzentwurf komplett außen vor und bezieht es auch nicht in die Überlegungen mit ein.
Nach Bekanntgabe des Vorschlags für ein Staatliches Tierwohllabel äußerten viele Expert:innen Kritik, da sie keine weitreichenden Änderungen zum Umbau der Tierhaltung erkennen können. Die bereits bestehenden Unsicherheiten unter den Tierhalter:innen werden sich mit diesem nur unvollständigen Regelwerk noch mehr verstärken. Damit stellt es keinen wegweisenden Lösungsansatz für die Branche dar. Diesen benötigt die Branche allerdings sehr dringend, um den aktuellen Entwicklungsstillstand bzw. -rückgang zu beenden!
Quellen:
Agrarheute: Özdemirs Tierwohl-Label und seine Finanzierung floppen bei den Ländern (Stand: 09.11.2022)
Agrarheute: Staatliches Tierwohl-Label kommt: Landwirte und Tierschutz üben Kritik (Stand: 02.11.2022)
Agrarheute: Tierwohl-Label: Wirtschaft warnt vor Özdemirs Mogelpackung (Stand: 07.11.2022)
Agrarheute: Tierwohllabel: Koalition streitet Lücken im Gesetzentwurf nicht ab (Stand: 19.12.2022)
Agrarheute: So drückt Özdemir sein Tierwohl-Label über die Landwirte hinweg durch (Stand: 11.04.2023)
agrar-presseportal: Erste Lesung im Deutschen Bundestag: „Tierhaltungskennzeichnungsgesetz darf so nicht zur Anwendung kommen“ (Stand: 19.12.2022)
BLE: Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 11.10.2023)
BMEL: Bundesminister Özdemir stellt Eckpunkte für verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung vor (Stand: 02.11.2022)
BMEL: Eckpunkte zur Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 02.11.2022)
BMEL: Achte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (Stand: 03.11.2022)
BMEL: Klima- und umweltfreundliche Ernährung und verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ist vielen Menschen wichtig (Stand: 03.11.2022)
BMEL: Deutschland, wie es isst – der BMEL-Ernährungsreport 2022 (Stand: 03.11.2022)
BMEL: Weg frei: Die Tierhaltungskennzeichnung kommt (Stand: 11.10.2023)
BMEL: Zukunftsfeste Tierhaltung (Stand: 11.10.2023)
Bundestag: Gesetzlicher Mindeststandard in der Nutztierhaltung in Deutschland (Stand: 03.11.2022)
Bundestag: Bundestag überweist Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 06.12.2022)
Bundestag: Bundestag überweist Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 19.12.2022)
Gesetze im Internet: Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden (Stand: 11.10.2023)
ISN: Agrarministerkonferenz: Länder kritisieren Pläne zur Tierhaltungskennzeichnung (Stand: 07.11.2022)
ISN: Entwürfe zum Tierhaltungskennzeichengesetz – Große Mängel und deshalb nicht akzeptabel (Stand: 07.11.2022)
ISN: Tierhaltungskennzeichnungsgesetz passiert den Bundesrat mit zahlreichen Änderungsempfehlungen (Stand: 06.12.2022)
ISN: Tierhaltungskennzeichnungsgesetz: In erster Lesung im Bundestag an Agrarausschuss verwiesen (Stand: 19.12.2022)
ISN: Entwurf zum Tierhaltungskennzeichengesetz angepasst (Stand: 11.04.2023)
ISN: Tierhaltungskennzeichnungsgesetz nun in Kraft gesetzt (Stand: 11.10.2023)
Proplanta: Ruf nach Unterstützung für krisengebeutelte Schweinehalter (Stand: 07.11.2022)
topagrar: Agrarausschuss lehnt Özdemirs Tierhaltungskennzeichnung ab – wie entscheidet der Bundesrat? (Stand: 09.11.2022)
topagrar: Tierhaltungskennzeichnung: Branchenverbände pochen auf Anpassungen (Stand: 19.12.2022)