Stell dich doch bitte einmal kurz vor.
Mein Name ist Patrick Bühr, ich bin Head of Research and Development bei der Rügenwalder Mühle – das heißt, ich verantworte den gesamten Bereich rund um die operative und strategische Produktentwicklung sowie möglicher Innovationstätigkeiten bei uns. Von Haus aus bin ich gelernter Koch und Diplom-Ernährungswissenschaftler.
Rügenwalder Mühle hat ja in den letzten Jahren eine starke Transformation durchgemacht. Wie hat sich Rügenwalder Mühle über die Jahre entwickelt – was waren die größten Meilensteine?
Wir haben uns immer schon getraut, Dinge anders zu machen und Bestehendes zu hinterfragen, das steckt in der DNA unseres Familienunternehmens. Entscheidende Treiber sind dafür neben Innovationskraft auch Mut und unternehmerisches Gespür. Anfang der 2010er haben wir in unserem internen Innovationskreis schon wahrgenommen, dass Fleischkonsum zunehmend kritischer gesehen wurde, aus unterschiedlichen Gründen: Klima, Tierwohl oder auch Gesundheit. Wir haben diesen gesellschaftlichen Wandel, der sich damals wirklich noch in der Nische befand, als Chance gesehen, nicht als Bedrohung. Und wir haben erkannt: Der Geschmack von Fleisch und Wurst war nicht das Thema, im Gegenteil. Und so kam 2012 die Idee: Was wäre, wenn wir Wurst machen könnten, die genauso lecker schmeckt, aber nicht aus Fleisch gemacht ist? Denn wie Wurst schmecken soll, das wissen wir. So haben wir unsere Entwicklungsarbeit gestartet, sodass wir 2014 als First Mover unsere ersten Fleischersatz-Produkte auf den Markt gebracht haben. Seitdem sind wir Marktführer in diesem Bereich.
Welche Vision verfolgt Rügenwalder Mühle und welche Rolle spielen dabei Innovationen? Wie ist die Entwicklung entstanden, dass der Unternehmensfokus auf Fleischergänzung liegt?
Wir haben uns das klare Ziel gesetzt, nicht nur Markt- sondern auch Innovationsführer zu bleiben. Hierfür haben wir in den letzten Jahren über zwanzig neue vegane Produkte auf den Markt gebracht. Für uns zählt aber nicht nur Quantität. Unser Anspruch an unsere Produkte ist immer, dass sie immer auch unsere hohen Standards an den leckersten Geschmack, die beste Sensorik und die höchste Qualität erfüllen. So haben wir es geschafft, dass unsere Produkte die erfolgreichsten Neuprodukte 2024 geworden sind. Von 160 Neuprodukten, die 2023 und 2024 auf den Markt gekommen sind, konnten sich bei den Konsument:innen überhaupt nur 13 als erfolgreich durchsetzen. Und von diesen 13 stammen ganze sechs Produkte von uns. Allein die TOP drei sind nur unsere Produkte – dabei war unser Veganer Hauchgenuss der absolute Topstar. Ich denke, das zeigt ganz gut, welche Rolle die Rügenwalder Mühle beim Thema Innovationen spielt.

Welche Rohstoffe und Produkte könnten in Zukunft eine größere Rolle spielen? Gibt es bereits Projekte, an denen Rügenwalder Mühle für die nächste Generation von Lebensmitteln forscht?
Hier fokussieren wir uns vor allem auf die Suche nach regionalen Rohstoffen. Mit Blick auf unsere Nachhaltigkeitsstrategie und die hinter unseren Rohstoffen stehende Wertschöpfungskette, wollen wir hierbei immer regionaler werden. Aktuell beschäftigen wir uns dafür vor allem mit Ackerbohnen und Lupinen. Wir arbeiten aber auch weiter daran, Soja als Proteinquelle aus Deutschland zu etablieren. Dazu haben wir bereits viel Erfahrung gesammelt.
Welche Herausforderungen gibt es beim Wandel hin zu mehr pflanzenbasierten Produkten?
Unsere Strategie war von Anfang an: Wir entwickeln Produkte, die genauso aussehen, ebenso lecker schmecken und den gleichen Biss wie die Vorbilder aus Fleisch haben, die die Konsument:innen kennen. Daher ist es entscheidend, die Verbraucher:innen dort abzuholen, wo sie stehen. Neuartige Produkte, die nichts mit der Optik, dem Geschmack oder dem Biss zu tun haben, den sie bereits kennen, würden erst einmal Irritation und viel Erklärungsbedarf auslösen.
Gleichzeitig wollen wir den Anteil unserer regionalen Rohstoffe erhöhen. Hierbei stehen wir sowohl vor der Herausforderung, die für uns notwendige Wertschöpfungskette aufzubauen, als auch, dass die regionalen Rohstoffe weiter die richtige Geschmacksnote treffen, die unsere Konsument:innen von unseren Produkten kennen.
Außerdem arbeiten wir kontinuierlich daran, den Anteil unserer natürlichen Inhaltsstoffe zu erhöhen – hierbei sind bereits 90 Prozent unserer Zutaten natürlichen Ursprungs. Und auch für die Verwendung sogenannter Zusatzstoffe in unseren Produkten gilt für uns ganz klar der Grundsatz „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“. Auch hier arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Zutatenliste weiter zu verkürzen.
Welche konkreten Maßnahmen ergreift Rügenwalder Mühle, um nachhaltiger zu agieren – von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion bis hin zur Verpackung?
Wie gesagt, wollen wir bei unserer Rohstoffbeschaffung immer regionaler werden. Schon heute können wir 30% unseres Sojabedarfs mit Soja aus Deutschland decken. Zusätzlich haben wir uns das Ziel gesetzt, dass bis 2026 alle unsere pflanzlichen Proteine aus Europa stammen.
Für unsere Verpackungen prüfen wir ebenfalls regelmäßig, wo wir das Material reduzieren, durch nachhaltigere Alternativen ersetzen oder die Qualität der Verpackungen verbessern können. So haben die Becher unserer Snack-Frikadellen schon seit März 2023 keinen Plastikdeckel mehr. Mit dieser Devise „weniger ist mehr“ können wir jährlich ca. 68 Tonnen Plastik sparen und unsere Verpackungen somit noch nachhaltiger machen.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es durch regulatorische Vorgaben in Deutschland? Gibt es Unterschiede zwischen deutschen und internationalen Märkten, die Rügenwalder Mühle beachten muss?
Was alle Länder in der EU eint, ist die Regulatorik auf der Brüssel-Ebene. Hier sind Zulassungsverfahren von Rohstoffen und Technologien angelegt, um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten. Im Gegensatz zu anderen Märkten weltweit, sind diese Verfahren sehr lang. Das sorgt schon für ein wenig Abstand zwischen EU-Ländern und anderen auf der Welt. Aber auch national brauchen wir mehr Fokus auf den Bereich der pflanzlichen Lebensmittel – so steht beispielsweise immer noch eine fertige Strategie der Bundesregierung zur Förderung von Eiweißpflanzen aus. Und auch auf wissenschaftlicher Seite brauchen wir mehr Investitionen an und in die deutschen Forschungszentren.
Welche Rolle spielt Functional Food für Rügenwalder Mühle? Gibt es Pläne, Produkte mit zusätzlichen Gesundheitsvorteilen zu entwickeln?
Vor circa einem Jahr haben wir unsere ersten veganen Produkte für Kinder auf den Markt gebracht. In der aktuellen Diskussion rund um Nährwertempfehlungen und Auflagen für Kinder wollten wir so vorweg gehen: Unsere Produkte entsprechen als erste in ihrem Segment vollends den Nährwertempfehlungen der WHO, indem sie weniger Salz, Fett und Zucker als andere Produkte für Kinder enthalten.
Aber auch unsere weiteren pflanzlichen Produkte können bereits mit ihren Nährwerten punkten: Sie enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe und gleichzeitig weniger Salz als die meisten ihrer Pendants aus Fleisch. Außerdem stellen wir in allen Produkten das enthaltene Salz auf Jodsalz um. Hintergrund hierfür ist, dass wir wissen, dass die Deutschen im Allgemeinen einen Jodmangel haben.
Inwieweit arbeitet Rügenwalder Mühle zusammen mit der Wissenschaft bei der Produktentwicklung?
Wir haben viele Kooperationen mit verschiedenen Universitäten in Deutschland und Europa. Der Fokus unserer Zusammenarbeit liegt dabei vor allem darauf, zu erforschen, wie wir heimische Rohstoffquellen besser nutzen können sowie auf der Erforschung innovativer Technologien für die Herstellung pflanzlicher Produkte. Und selbstverständlich stehen wir auch im regen Austausch mit Start-ups, die mit hoher Geschwindigkeit den Markt für alternative Proteine mit neuen Lösungen bewegen.
Vielen Dank für das Interview!