Kaum ein Begriff sorgt für so viel Aufmerksamkeit wie „Massentierhaltung“. Wir finden ihn im Zusammenhang mit dem Fleischkonsum – „Fleisch aus Massentierhaltung“ – oder wenn es um die Haltung von landwirtschaftlichen Tieren geht. Eins steht zumindest fest – positiv ist der folgende Artikel in den meisten Fällen nicht.
Doch was hat es eigentlich mit diesem Begriff auf sich? Und wäre es besser, wenn wir stattdessen eher von „Intensivtierhaltung“ sprechen?
Massentierhaltung – Was steckt hinter dem Begriff?
Schon im Jahr 1975 wird der Begriff „Massentierhaltung“ für die Haltung vieler Tiere in Ställen genutzt. Aus hygienischen Gründen wurde damals ein Betrieb mit mehr als 1.250 Schweinen als „Massentierhaltungsbetrieb“ bezeichnet.1
Doch was sagt der Begriff über die Lebensbedingungen der Tiere aus?
Schweine sind sehr soziale Tiere, die den Körperkontakt zu anderen Schweinen suchen. Einerseits, um sich gegenseitig an kälteren Tagen zu wärmen, aber auch aus sozialen Gründen. So haben Schweine bevorzugte Liegepartner, zu denen sie vermehrt Körperkontakt suchen.2 Die Haltung mehrerer Tiere muss darum nicht zwingend schlecht sein.
Allerdings sind die Tiere auch sehr sensibel, worauf wir bei der Haltung eingehen müssen. Fragen wie: „Fühlen sich die Tiere im Stall wohl?“ Oder: „Können die Tiere ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben?“ werden häufig im Zusammenhang mit der Tieranzahl je Stall diskutiert. Diese speziellen Themen haben wir bereits in einem vorherigen Beitrag betrachtet: https://landschafftwerte.de/geht-tierwohl-in-der-massentierhaltung/
Problematisch wird es, wenn nach einer wissenschaftlichen Definition gesucht wird. Die Wissenschaft hat sich hierzu wenig geäußert und so können wir auch keine exakten Zahlen nennen, wann wir es mit „Massentierhaltung“ zu tun haben!1
Die verschiedenen Ansichten
In Deutschland haben wir ein falsches Bild von „Massentierhaltung“. Wir malen uns verdreckte Ställe und gestresste Tiere aus. Oft sind die Tierzahlen auch deutlich niedriger, als in der Bevölkerung angenommen wird.
Hierzu haben Prof. Achim Spiller und sein Wissenschaftlerteam der Universität Göttingen, eine Studie veröffentlicht.
Es kam heraus, dass Verbraucher:innen erst ab ca. 500 Rindern den Betrieb als „ Massentierhaltungsbetrieb“ bezeichnen würden.3 Fakt ist, dass in deutschen Ställen im Jahr 2022 durchschnittlich 85 Rinder gehalten wurden.4 Allerdings hat sich innerhalb von 22 Jahren die Anzahl der Tiere pro Betrieb um 20 Tiere erhöht, sodass wir festhalten können, dass größere Betriebe in Deutschland an Bedeutung gewonnen haben und kleinere Betriebe aufgeben mussten.5 Nichtsdestotrotz gehen hier die Realität und das Verbraucher:innenempfinden stark auseinander.
Betrachten wir die Umfrageergebnisse zum Thema Schweine pro Betrieb zeichnet sich das folgende Bild: Verbraucher:innen sprechen ab einer Anzahl von ca. 1.000 Schweinen von „Massentierhaltung“.3 Im Jahr 2022 lebten in Deutschland im Durchschnitt 1.245 Schweine pro Betrieb.6 Ebenso wie beim Rind liegen auch beim Schwein die Erwartungen der Verbraucher:innen und die Realität auseinander.
Ausschließlich beim Geflügel liegen die reellen Tierzahlen über den Verbraucher:innenerwartungen. Hier würden Verbraucher:innen ab einer Anzahl von ca. 5.000 Hähnchen den Betrieb mit dem Begriff „Massentierhaltung“ belegen.3
Dagegen lebten im Jahr 2020 in deutschen Betrieben im Durchschnitt etwa 29.278 Hühner und Hähne.7
Weitere Informationen zur Studie: https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/d018623f89fbe21a9882b1602f6df569.pdf/ASG_MKayserASpiller.pdf
Zwar geht das Bild der befragten Bürger:innen mit der Realität auseinander, aber über alle drei Tierarten hinweg kann festgestellt werden, dass in Deutschland ein deutliches Höfesterben zu beobachten ist. Gleichzeitig halten die einzelnen Betriebe eine höhere Anzahl an Tieren in ihren Stallungen – die Masse wird größer -.
#farbebekennen – Unser Fazit:
In der öffentlichen Diskussion kommen wir um den Begriff der Massentierhaltung nicht herum. Warum ist das so? Wir müssen uns bei diesem Thema auch damit beschäftigen, dass wir es mit einer Parallelgesellschaft zu tun haben, die mit unterschiedlichen Bildern, sogenannten Narrativen, in den Köpfen eine Diskussion führt. Die Anzahl an Tieren pro Betrieb hat in den letzten Jahren zugenommen, dies ist Fakt. Dennoch gehen die Zahlen von empfundener Anzahl und Wirklichkeit stark auseinander. Hier kann nur eine transparente Aufklärung helfen und Einblicke in die deutschen Stallungen geben.
Wissenschaftlich ist der Begriff Massentierhaltung nicht definiert, ganz im Gegenteil dazu, dass wir feststellen können, dass das Wohlbefinden der Tiere nicht einhergeht mit der Anzahl an Tieren pro Betrieb. Hierzu gibt es wissenschaftliche Studien und viele Betriebsleiter:innen zeigen dies tagtäglich in ihren Betrieben.
1 BLE: Reizwort „Massentierhaltung“ (Stand: 01.06.2023)
2 Thünen Institut: Verhalten, Haltung, Bewertung von Haltungssystemen (Stand: 06.06.2023)
3 Uni Göttingen: Massentierhaltung: Was denkt die Bevölkerung? Ergebnisse einer Studie (Stand: 01.06.2023)
4 Statista: Anzahl der Rinder je Betrieb in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2022 (Stand: 01.06.2023)
5 Statista: Anzahl der Betriebe in der Rinderhaltung in Deutschland in den Jahren von 1950 bis 2022 (Stand: 06.06.2023)
6 Statista: Anzahl der Schweine je Betrieb in Deutschland in den Jahren 1950 bis 2022 (Stand: 01.06.2023)
7 Statista: Anzahl der Masthühner und -hähne je Betrieb in Deutschland in den Jahren 1973 bis 2020 (Stand: 06.06.2023)