Tierwohl – ein Begriff, der leicht über die Lippen geht – manchmal fordernd, manchmal fragend. Egal ob Verbraucher:in, Landwirt:in oder Tierärzt:in, alle können zu diesem Thema etwas beitragen. Doch meinen alle das Gleiche? Was hat es mit dieser besonderen Mensch-Tier-Beziehung auf sich, die sich in den letzten Jahren einem starken Wandlungsprozess unterzogen hat? Bevor wir ins Detail gehen, widmen wir uns erst den Basics: Was verstehen wir unter Tierwohl, Tierschutz und Co?
Tierschutz: Ist im Tierschutzgesetz verankert und bedeutet vom Grundsatz her, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leid oder Schaden zufügen darf. Weiter gefasst, verstehen wir unter Tierschutz alle Aktivitäten, die darauf abzielen, den Tieren ein artgerechtes Leben ohne Leiden, Schmerzen oder/und Schäden zuzufügen. Tierschutz bezieht sich immer auf die Aktivitäten des Menschen zum Schutz von Tieren.
Tierwohl: Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hier das Tier. Tierwohl verbindet Tiergesundheit, Tierverhalten und Emotionen miteinander. Es handelt sich hierbei um einen multidimensionalen Begriff, der in der öffentlichen Diskussion häufig mit dem Begriff der Tiergerechtheit gleichgesetzt ist.
Für Tierwohl gibt es keine allgemeingültige, tierwissenschaftliche Definition.
Im Jahr 1965 wurde das Konzept der „Fünf Freiheiten“ entwickelt, um Tierwohl genauer zu bewerten. Außerdem wurden die Anforderungen an tiergerechte Haltungssysteme aufgezeigt. Sie bilden heute die Grundlage für viele Bewertungssysteme:
- Freiheit von Hunger & Durst
- Freiheit von Unbehagen durch die Umgebung
- Freiheit von Schmerzen, Verletzungen & Krankheiten
- Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensweisen
- Freiheit von Leiden & Angst
Sind die Tiere gesund, haben sie die Möglichkeit ihre normalen Verhaltensweisen durchzuführen und erleiden keinen negativen Stress durch Angst oder Schmerzen, kann von einer guten Tierwohl-Situation bzw. einer tiergerechten Haltung gesprochen werden. Aus Sicht der Tiermedizin ist ein Punkt entscheidend: Das Haltungssystem sollte immer an das Tier angepasst werden und nicht umgekehrt.
Ist Tierwohl eine Frage der Haltung?
Betrachten wir die unterschiedlichen Formen der Tierhaltung und Betriebsgrößen, so können wir an dieser Stelle mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen. Nämlich dem, dass in großen Betrieben keine tiergerechte Haltung möglich ist bzw. es Tieren nur in kleinen, extensiven Beständen gut geht. Die einheitliche Expert:innenmeinung verweist darauf, dass die Größe von Tierbeständen keinen relevanten Einfluss auf das Tierwohl hat. Warum?
Wesentliche Punkte für vorhandenes Tierwohl sind: eine tiergerechte Buchtengestaltung, ein gutes Stallklima sowie ein gutes Hygienekonzept des Betriebes. Entscheidend für das Wohlbefinden der Tiere ist zudem eine sachkundige und intensive Betreuung. Denn: Studien belegen, dass 80 bis 90 Prozent des Tierwohls durch die Tiergesundheit beeinflusst werden.
Bei allen Forderungen nach mehr Tierwohl dürfen wir nicht vergessen, dass sich hier Zielkonflikte ergeben. Schaffen wir z.B. durch einen Außenklimastall mit einem Auslauf ein Mehr an Tierwohl, so müssen wir beachten, dass diese Stallform u.a. zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen könnte. Ein weiteres Beispiel wären organische Beschäftigungsmaterialien wie Stroh. Diese können zu einem erhöhten Eintrag von Erregern und Mykotoxinen in den tierischen Bestand führen. Auf der anderen Seite bedeutet eine zusätzliche Strohraufe eine hervorragende Beschäftigungsmöglichkeit für die neugierigen Tiere.
Was hat die Bestandbetreuung mit Tierwohl zu tun?
Der Alltag eines/einer praktizierenden Tierärzt:in hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wurde früher der/die Veterinär:in erst dann ko0ntaktiert, wenn ein Tier erkrankte und tierärztliche Hilfe benötigt wurde, finden heute in regelmäßigen Abständen Besuche und Kontrollen auf tierhaltenden Betrieben statt. Während dieser Bestandsbetreuungen erfolgen tierärztliche Behandlungen und betriebliche Beratungen, wie das Haltungssystem, die Fütterung oder auch Hygiene- und Lüftungskonzepte optimiert werden können. Dazu gehört auch der gezielte Einsatz von Medikamenten und eine kontrollierte Minimierung des Antibiotika-Einsatzes. Dank dieser regelmäßigen Checks konnte sich das Wohlbefinden der Tiere erheblich verbessern. Hinzu kommt ein routinemäßiges Impfprogramm, welches ebenfalls zu diesem Positivtrend beiträgt.
In Deutschland gibt es mittlerweile im Bereich der Schweinehaltung um die 400 bis 500 Praxen, die eine Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung durchführen.
Das sagen Expert:innen
Wie ein glückliches Schwein aussieht, ist bislang nicht definiert worden. Das Kieler Forschungsprojekt FeelGood unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Joachim Krieter hat sich in zwei verschiedenen Stallformen, einer konventionellen Stallsystem und einem Außenklimastall mit Stroheinstreu, die Emotionen von Schweinen genauer angeschaut. Frau Dr. Katja Krugmann hat dieses Projekt im Rahmen ihrer Doktorarbeit koordiniert und begleitet. Sie kann uns Antworten für unsere Fragen rund um das glückliche Schwein liefern.
#farbebekennen – Unser Fazit
Festhalten müssen wir, dass es sich bei dem Thema Tierwohl um einen multifaktoriellen Begriff handelt. Je nach Perspektive verstehen wir unter Tierwohl etwas anderes. Die aktuelle gesellschaftliche Diskussion spiegelt genau diese Problematik wider – wir finden selten einen gemeinsamen Nenner, wenn es um eine einheitliche Definition von Tierwohl geht. Aktuell können wir schon auf zahlreiche Forschungsarbeiten aus den Bereichen Tiergesundheit und Tierverhalten zurückgreifen. Forschungsvorhaben wie „Feel Good“ der Uni Kiel zeigen auf, dass auch hier die ersten verwertbaren Ergebnisse vorliegen, auf denen weitere Studien aufbauen können und dies bereits auch tun. Der Blick in die Wissenschaft zeigt, dass bereichsübergreifend gearbeitet wird. Der gewählte multifaktorielle Ansatz bietet die Chance, dass zukünftig sämtliche Tierwohl-Indikatoren sowie deren gegenseitige Beeinflussung komplett identifiziert und in der Praxis eingebunden werden können. Die gesamte Wertschöpfungskette hat es demnach in der Hand, gemeinsam eine Steigerung des Tierwohls zu erreichen.
Quellen:
Deutsches Tierärzteblatt 3/2013, S. 308 – 315: Gesundheit und Tierwohl in großen Tierhaltungen.
Ethikkodex der Bundestierärztekammer, Stand: 04.02.2021
Farm Animal Welfare Council, Stand: 04.02.2021
Fraser, D., Weary D. M. (2003): Quality of life for farm animals: linking science, ethics and animal welfare. In: The Well-Being of Farm Animals: Challenges and Solutions. Herausgeber: benson G. J., Rollin B. E., Blackwell Publishing Oxford, S. 39-60.
Heise, H., Kemper, N., Theuvsen, L. (2016): Die Einstellung deutscher Tierärzte zu Tierwohl in der Nutztierhaltung: Ergebnisse einer Clusteranalyse. Berliner & Münchener Tierärztliche Wochenschrift 129, heft 5/6, S. 225 – 233.
Kemper, Nicole (2016): Vortrag „Tierwohl … aus Sicht der Tierhygiene und Veterinärmedizin“
Krugmann, Katja Lisabeth (2019): Assessment of growing pigs‘ positive affective state using behavioural parameters and structural equation modelling, Dissertation
Leitlinien für die Durchführung einer „Tierärztlichen Bestandsbetreuung“ Allgemeiner Teil. Fassung vom 03.06.2019
Tierschutzgesetz, Stand: 01. Februar 2021
Wilms-Schulze Kump, Andreas: pers. Mitteilung (2021)