Schlachtung Verein

Tierwohl und Schlachtung

Tierwohl auf dem Schlachthof?

Die beiden Begriffe Tierwohl und Schlachtung könnten für manche unter uns sicherlich nicht unterschiedlicher sein und lassen sich für viele auch nicht miteinander vereinbaren. Schließlich ist das Töten von Tieren ein gewaltsamer Akt – an dessen Ende ein totes Tier steht.

Deshalb hat Glori sich hautnah angeschaut, wie eine Schlachtung von Rindern in Wirklichkeit aussieht:

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Der Schlachtprozess

Ankunft am Schlachthof

Das behutsame Abladen der Tiere muss möglichst zeitnah nach der Ankunft des Transporters erfolgen. Im Vordergrund steht, dass den Tieren keine unnötige Belastung zugemutet wird und Unruhe oder Auseinandersetzungen untereinander vermieden werden.Sollten sich Missstände beim Transport ereignet haben, werden diese direkt mit Veterinär:innen vor Ort und dem/der betriebsangehörigen Tierschutzbeautragten erfasst und weiterverfolgt. Treibhilfen dürfen nur behutsam und zum Leiten der Tiere in die sog. Wartebuchten zum Einsatz kommen. Sollten Tiere nicht eigenständig den LKW verlassen können, werden sie an Ort und Stelle untersucht. Sind schwerwiegende Läsionen am Tier erkennbar, wird dieses von der Gruppe separiert und in einer eigenen Bucht untergebracht und ggf. umgehend getötet/geschlachtet.

Der Wartebereich

Im Wartestall eines Schlachtbetriebes haben die Tiere Gelegenheit sich vom Transport zu erholen und zur Ruhe zu kommen. Alle Tiere können jederzeit Wasser zu sich nehmen und ggf. auch bei einem längeren Aufenthalt mit Futter versorgt werden. 

Rinder fühlen sich in ihrem eigenen Verbund am wohlsten. Ein Vermischen von fremden Tieren ist daher nicht ratsam und kann zu Rangeleien und Verletzungen führen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Gruppengröße relativ klein bleibt. Rinder orientieren sich zum einen immer an ihrem Leittier, so dass sie dadurch beruhigt sind. Laute Schreie und Rufe sind zu vermeiden, während leise Musik eher beruhigend wirkt.

Stress vor der Schlachtung ist nicht nur für das Tier selbst negativ. Auch hat dieser einen negativen Effekt auf die Fleischqualität und ist deshalb unerwünscht. Tierwohl und Schlachtung treffen hier kontrovers aufeinander.

Der Zutrieb zur Betäubung

Rinder fühlen sich wohl, wenn sie das Gefühl haben, dass sie dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind. Gehen die Tiere in einem leichten Bogen, entspricht das ihrem natürlichen Kreisverhalten. Treibgänge in vielen Schlachthöfen werden deshalb auch schneckenförmig angeordnet. So sehen die Tiere keine Bewegungen oder Personen und sind ruhiger. Die sich eigenständig fortbewegenden Rinder sehen, außer ihrem „Vordermann“, keine Bewegung und folgen diesem.

Entwickelt hat das Ganze die US-Amerikanerin Temple Grandin.

Die Professorin für Nutztierverhalten an der Colorado State University ist Autistin und hat eine besondere Gabe: Sie kann das Verhalten von Rindern intuitiv richtig deuten. Seit 40 Jahren berät sie weltweit Schlachthöfe und große Viehbetriebe, wie Stallanlagen und Treibgänge gestaltet sein müssen, damit Rinder stressfrei getrieben und human getötet werden können.

Tierwohl und Schlachtung

Temple Grandin ist überzeugt, dass Tiere nicht wissen, dass sie sterben müssen. Die Unruhe, die bei einigen Tieren zu beobachten ist, hat ganz andere Ursachen wie Lärm, reflektierende, rutschige Stellen, Kontakt zu fremden Tieren oder unsachgemäßes, tierschutzwidriges Verhalten des Personals.

Die Betäubung

Das Rind läuft den Zutrieb entlang in eine sog. Betäubungsbox. Diese wird mechanisch auf jedes Tier eingestellt und schränkt dadurch die Bewegungsfreiheit bewusst ein. Auch der Kopf des Tieres wird fixiert, um eine effektive und tierschutzgerechte Betäubung durch den Bolzenschuss zu garantieren. Bei einer Bolzenschussbetäubung dringt ein ca. 12 cm langer Schussbolzen in ein bestimmtes Gehirnareal ein. Das Tier verliert sofort an Bewusstsein. Der/die Betäuber:in kontrolliert direkt nach dem Schuss durch eine Augenlidreflexkontrolle, ob die Betäubung korrekt durchgeführt wurde. Ein nicht korrekt betäubtes Tier wird nicht aus der Betäubungsbox gelassen und unverzüglich noch einmal betäubt, bis die Bewusstlosigkeit eintritt. Im Anschluss erfolgt der Entbluteschnitt und der durch Blutverlust hervorgerufene Tod des Tieres.

Ruhe und das Vermeiden von Lärm spielen eine permanente Rolle, um eine tierschutzgerechte Schlachtung zu ermöglichen. Die korrekte Durchführung dieses Schrittes steht unter der ständigen Kontrolle geschulter Tierärzt:innen und dem/der Tierschutzbeauftragten.

Wartestall Rinder
Im Wartestall bleiben die Rinder in kleinen Gruppen und können sich vom Transport erholen.
Tiere im Wartestall
Tierschutzbeauftragte Marielena zeigt Gloria, wo die Tiere nach dem Abladen warten.
Treibgang - Tierwohl und Schlachtung
Die Rinder laufen einen schneckenförmigen Treibgang entlang. Dieser ist nach dem natürlichen Kreisverhalten der Tiere konstruiert.
Betäubungsbox - Tierwohl und Schlachtung
Gloria und Marielena stehen vor der Betäubungsbox, in der die Tiere mit einem Bolzenschussgerät später betäubt werden.

Tierwohl und Schlachtung – Das sagen Expert:innen

Karen von Holleben
Dr. Karen von Holleben, bsi Schwarzenbek

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Heike Harstick Fleischwirtschaft
Dr. Heike Harstick, Hauptgeschäftsführerin Verband der Fleischwirtschaft
Aron Steinemann
Aron Steinemann, Prokurist Steinemann Holding

HIER GEHT ES ZUM INTERVIEW >>


#farbebekennen – Unser Fazit:

Geht es um die Schlachtung von Schweinen und Rindern gehen die Vorstellungen über diesen Prozess sehr stark auseinander. Die Begriffe Tierwohl und Schlachtung sind extrem schwer, zusammenzuführen. In den meisten Fällen wird dieser Teil gerne ausgeblendet. Dennoch müssen wir uns bewusst sein, dass es unvermeidbar ist, Tiere zu töten, wenn man Fleisch essen möchte. Umso wichtiger ist es daher, verantwortlich zu handeln.

Jeder Schlachthof muss sich an geltende nationale und europäische Gesetze und Verordnungen halten. Die Tierschutzbeauftragten sorgen dafür, dass der Tierschutz permanent eingehalten und beachtet wird. Denn Schmerzen, Stress und Leiden müssen für alle Tiere zum Zeitpunkt der Betäubung und Tötung möglichst vermieden werden.

Die im Schlachtprozess erfassten Daten geben zusätzlich Informationen über das Wohlbefinden der Tiere und sind die Basis von permanenten Verbesserungen auf diesem Gebiet. Neben diesen haben die wissenschaftlichen Ausführungen von Temple Grandin und anderen Forscher:innen dazu geführt, dass der Tierwohlstandard an deutschen Schlachthöfen stetig verbessert werden konnte. Das Verständnis für das Tier und sein spezifisches Verhalten stehen permanent im Fokus der Wissenschaft. Neueste Erkenntnisse auf diesem Gebiet werden auch weiterhin dafür sorgen, dass sich Tierwohl und Tierschutz in den hochsensiblen Bereichen des Transports, des Wartestalls und der Betäubung auch weiterhin verbessern werden.


Quellen:

Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung (BSI): Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind & Schwein, Stand: 2013

EFSA Scientific Opinion, EFSA Journal, 2020; 18(11):6275, doi: 10.2903/j.efsa.2020.6275

Temple Grandin: Improving Animal Welfare, A Practical Approach, CABI, ISBN 978-1-84593-541-2

Temple Grandin, Stand: 08. Juli 2021

Verband der Fleischwirtschaft e.V. (VDF): Leitfaden: Bewährte Verfahrensweisen für eine tierschutzgerechte Schlachtung von Rindern, Stand: 2014

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