In den letzten 20 Jahren hat die Geflügelfleischerzeugung zugenommen. Auch wenn wir Deutschen im Jahr 2022 durchschnittlich mit einem Verzehr von 12,7 Kilogramm Hähnchenfleisch pro Person unter dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 20,8 Kilogramm in der EU lagen, steigt weltweit die Nachfrage nach Hähnchenfleisch. Hast du dich in diesem Zusammenhang schon mal gefragt, wie die deutsche Hähnchenhaltung aussieht? Wir haben uns das genauer angeschaut.
Die vier Bereiche der Hähnchenhaltung
Zu Beginn kann es helfen, wenn wir wissen, dass die Hähnchenfleischerzeugung sehr spezialisiert ist. Sie lässt sich in die folgenden vier Bereiche gliedern:
- Basisaufzucht
- Vermehrungsbetrieb
- Brütereien
- Hähnchenmast
Was in den einzelnen Bereichen genau passiert, haben wir in unserem Blogbeitrag „Was ist ein Hähnchen?„ genauer erklärt. Wie die vier Bereiche miteinander vernetzt sind und was in Bezug hierauf der Begriff „Vertikale Integration in der Geflügelhaltung“ bedeutet, erläutert Herr Dr. Ingo Stryck von Wiesenhof in seinem Interview mit uns. In diesem Artikel wollen wir jetzt den vierten Punkt, die Haltung der Hähnchen in der Hähnchenmast betrachten.
Anforderungen und Bedingungen für die Aufzucht in der Hähnchenhaltung
Ein wesentlicher Baustein in der Regelung der Hähnchenhaltung in Deutschland ist die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV). Diese Verordnung, die auf EU-Vorschriften basiert, setzt klare Standards für die Haltung von Hähnchen. Die Verordnung legt fest, wie Ställe für Masthühner in Deutschland eingerichtet werden müssen, einschließlich der Größe des Platzes, der Beschaffenheit des Bodens und der Beleuchtungsdauer.
In Deutschland werden Hähnchen (auch genannt Masthühner oder Broiler) überwiegend in Bodenhaltung auf Einstreu gehalten. Als Hähnchen werden sowohl die weiblichen als auch die männlichen Masthühner bezeichnet. Die einzelnen Begrifflichkeiten rund ums Hähnchen haben wir bereits ebenfalls im vorab veröffentlichten Artikel „Was ist ein Hähnchen?“ erklärt. Die Tiere wachsen mit ihren natürlichen, spitzen Schnäbeln auf, das heißt, der Schnabel der Hähnchen wird nicht gekürzt.
Die verschiedenen Stallformen
Bei den Stallformen werden sowohl geschlossene Ställe mit modernen Belüftungssystemen als auch offene Naturställe mit natürlicher Lüftung (auch Louisianastall genannt) genutzt. Seit dem Jahr 2000 werden Hähnchen, wenn auch selten, in Auslauf- oder Freilandhaltung – entweder in Kombination mit einem angebauten Außenklimabereich und Auslauffläche oder nur mit einem Grünauslauf gehalten.
Insbesondere bei der Haltung größerer Herden sind heute selten offene Stallungen zu finden. Aufgrund der steigenden Anforderungen an das Hygienemanagement und den Emissionsschutz sowie der zunehmenden Anzahl von Sommern mit Extremwetterlagen eignen sich geschlossene Stallgebäude besser. In diesen Stallgebäuden sind die Rahmenbedingungen für die Tiergesundheit und die Hygiene besser. So kann die Abluft gegebenenfalls gereinigt und das Stallinnere gekühlt oder erwärmt werden. Dies ist wichtig, da Masthühner sehr witterungsempfindlich sind und unter nicht optimalen Klimabedingungen schnell erkranken.
Heutzutage werden neue Ställe mit gleichmäßigem, einfallendem Tageslicht gebaut. Die Einfallfläche für das Tageslicht beträgt mindestens drei Prozent der Stallgrundfläche. Eine gleichmäßige Verteilung des Lichts über die gesamte Stallgrundfläche muss gewährleistet sein. Die Bodenfläche, die den Tieren uneingeschränkt zur Verfügung steht, gilt als nutzbare Stallfläche. Dazu müssen Futtertröge und Tränken höhenverstellbar sein und eine ebenfalls uneingeschränkte Futter- und Wasseraufnahme der Tiere sichergestellt sein. Der Boden ist mit trockener und lockerer Einstreu ausgestattet, die zum Picken, Scharren und Staubbaden geeignet ist.
Haltungsformen nach Initiative Tierwohl
In Kooperation von Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sowie der Geflügel- und Fleischwirtschaft wurde die Initiative Tierwohl (ITW) ins Leben gerufen. Hier gehen die Anforderungen an die Hähnchenhaltung der Masthühner über den gesetzlichen Standard hinaus. So ist die Besatzdichte generell begrenzt auf 35 kg/m², ferner wird das Anbieten von Beschäftigungsmaterial, wie Picksteine, Stroh/Heu oder anderer Einstreumaterialien sowie Trinkwassercheck, Stallklimacheck, Tierarztkriterium und die Einhaltung der Basiskriterien des Leitfadens zur Qualitätssicherung gefordert. Ein Außenklimabereich ist empfohlen.
Das freiwillige Label „Haltungsform“, das von der Initiative Tierwohl auferlegt wurde, gibt uns die Möglichkeit beim Fleischkauf zu erkennen, wie das Tier, also in diesem Fall das Hähnchen, vorher gehalten wurde.
Bei der Haltungsformkennzeichnung wird zwischen den vier Haltungsstufen „Stallhaltung“, „Stallhaltung Plus“, „Außenklima“ und „Premium“ unterschieden. Die Haltungsformen unterscheiden sich durch verschiedene Anforderungen, die an die Haltung der Tiere während der Mast gestellt werden. Anhand der Einstufung von 1 Stallhaltung bis 4 Premium können wir die Lebensbedingungen der Tiere einordnen (siehe haltungsform.de).
Die Premium-Hähnchenproduktion erfordert beispielsweise, dass die Tiere während mindestens 50 Prozent der Mastdauer Zugang zu einem Wintergarten haben. Leider läuft der Verkauf dieser etwa 40 Prozent teureren Premiumprodukte nur schleppend, und der Marktanteil betrug 2020 etwa drei Prozent.
Die Freilandhaltung von Masthähnchen beschränkt sich fast ausschließlich auf die Ökoproduktion, die einen Marktanteil von etwa 1,5 Prozent hat. Die Stallgebäude, die hierfür verwendet werden, sind kleiner und bieten nur wenigen hundert bis wenigen tausend Tieren Platz. Die maximale Herdengröße liegt nach der Öko-Verordnung (VO (EG) 834/2007) bei 4.000 Tieren und nach den EU-Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (VO (EG) 1538/91) bei 4.800 Tieren pro Stall. In der Regel gibt es zwischen dem Stallinneren und dem Grünauslauf einen überdachten Außenklimabereich. Die geforderte Auslauffläche je Tier beträgt 4 m² (Bio) bzw. 2 m² (Konventionell).
Unterschiede in der Hähnchenaufzucht
Landwirte von Hähnchenaufzuchtbetrieben stallen ihre Küken, die sich alle in derselben Entwicklungsstufe befinden, gleichzeitig ein und aus. Ein Vorteil hierbei ist, dass der Stall einmal komplett leer ist und somit gründlich gereinigt und desinfiziert werden kann.
Die Hähnchenaufzucht wird in Kurzmast-, Mittellangmast- und Langmast unterteilt. Die Kurzmast dauert 28 bis 30 Tage, bis die Hähnchen mit einem Gewicht von etwa 1,5 bis 1,6 Kilogramm geschlachtet werden. Hähnchen, die für die Verarbeitung von Teilstücken wie Keulen oder Brustfilets vorgesehen sind, werden etwas länger gemästet. Die Mittellangmast dauert 32 bis 35 Tage (Endgewicht 2 bis 2,2 Kilogramm) und die Langmast 38 bis 42 Tage (Endgewicht 2,5 bis 2,7 Kilogramm).
Wie lange bleiben die Hähnchen im Stall?
Da der Bedarf an ganzen Hähnchen deutlich zurückgegangen ist und in Deutschland die mögliche Besatzdichte (Anzahl der Tiere pro Fläche gemessen in Gewicht (Kilogramm) pro Quadratmeter an die Mastdauer gekoppelt ist, wird beim Ausstallen das sogenannte Vorfangen („Splittingverfahren“) angewandt. Dabei werden zu einem oder zwei Mastzeitpunkten ein Teil der Tiere zum Schlachten herausgefangen, während die verbleibenden Tiere weiter gemästet werden. Bei diesem Verfahren werden abhängig vom gewünschten Zielgewicht (z.B. 1,5 – 1,6 Kilogramm) am 27./28. Masttag 20-25 Prozent der eingestallten Tiere aus dem Bestand entnommen und geschlachtet, um die Besatzdichte zu reduzieren. Teilweise erfolgt dann um den 33. Tag eine weitere Entnahme von 20-30 Prozent der Tiere, wodurch die Besatzdichte erneut reduziert wird. Die verbleibenden Tiere werden im Alter von 39-43 Tagen geschlachtet. Eine Möglichkeit ist, dass etwa 30 Prozent der Tiere um den 28. Masttag entnommen werden und der Rest nach 33-35 Tagen geschlachtet wird. Dabei wird penibel darauf geachtet, dass die jeweils maximal zulässige Besatzdichte (35 bzw. 39 kg/m²) zu keinem Zeitpunkt überschritten wird.
#Fazit:
Insgesamt bietet die Hähnchenmast in Deutschland ein facettenreiches Bild, das von den unterschiedlichen Mastphasen über Haltungsformen bis hin zu Qualitätsinitiativen geprägt ist. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung legt klare Standards für die Haltung fest, während die Initiative Tierwohl zusätzliche Anforderungen über den gesetzlichen Standard hinaussetzt. Die verschiedenen Haltungsformen, von Stallhaltung bis Premium, bieten uns die Möglichkeit, bewusste Entscheidungen beim Fleischeinkauf zu treffen.
Die Anpassungsfähigkeit der Branche zeigt sich auch in der Differenzierung der Mastphasen – Kurzmast, Mittellangmast und Langmast – die auf die Bedürfnisse zum Tierwohl und der Fleischerzeugung abzielen. Modernisierte Stallgebäude, optimierte Klimabedingungen und die Berücksichtigung von Tierwohlaspekten prägen die heutige Hähnchenhaltung. Die fortlaufende Entwicklung von Standards und Initiativen unterstreicht das Bestreben, eine nachhaltige und tierfreundliche Hähnchenhaltung zu gewährleisten.
STATISTA: Pro-Kopf-Konsum von Geflügelfleisch in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2022 (Stand: 20.12.2023)
DLG: Haltung von Masthühnern (Stand: 20.12.2023)
Bundesamt für Justiz: Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Stand: 20.12.2023)
BLE: Geflügelfleisch (Stand: 20.12.2023)
Thünen Institut: Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Mastgeflügel (Stand: 20.12.2023)
DLG-Merkblatt: Haltung von Masthühnern (Stand: 20.12.2023)
IMA: Hähnchenmast (Stand: 20.12.2023)