Leben Sie alle auf der Weide?
In Deutschland werden 83 Prozent der Rinder in sogenannten Laufställen (Laufstall =Stallform, in denen die Tiere zwischen Bewegungs-, Ruhe-, Melk- und Futterbereich frei wählen können1) gehalten. Die Zahl der Anbindehaltung ging in den letzten Jahren rapide auf 10 Prozent zurück.2 Der restliche Teil bezieht sich auf verschiedene Haltungsformen für Rinder wie z.B. Iglus.
Innerhalb Deutschlands variieren die Haltungsformen sehr stark. Betrachten wir nur die Möglichkeit eines Weideganges, so können wir zwischen Nord- und Süddeutschland große Unterschiede sehen. In Bayern liegt der Anteil der Weidenutzung mit 17 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt, während in Niedersachsen 34 Prozent der gehaltenen Rinder die Option Weidegang besitzen.3
Wo die Unterschiede der einzelnen Haltungsformen für Rinder bzw. in der Fleischrinderhaltung liegen, beleuchtet der folgende Beitrag:
Die Unterschiede zwischen den Haltungsformen für Rinder
Seit dem Jahre 2019 existiert in Deutschland das freiwillige Label „Haltungsform“, welches von dem Lebensmitteleinzelhandel und den Schlachtunternehmen gemeinsam aufgelegt wurde. Es handelt es sich demnach um eine Branchenlösung (siehe auch haltungsform.de). Mit diesem Label wird den Verbraucher:innen die Möglichkeit gegeben, dass beim Fleischkauf auf den ersten Blick erkennbar ist, wie das Tier vorher gehalten wurde.
Bei der Haltungsformkennzeichnung wird zwischen den vier Haltungsstufen „Stallhaltung“, „Stallhaltung Plus“, „Außenklima“ und „Premium“ unterschieden.4
Die Haltungsformen unterscheiden sich durch verschiedene Anforderungen, die an die Haltung der Tiere während der Mast gestellt werden. Anhand der Einstufung von 1 bis 4 können Verbraucher:innen die Lebensbedingungen der Tiere einordnen.
Die Haltungsform 1: „Stallhaltung“
Nach der Haltungsformkennzeichnung müssen Rinder, die in der Haltungsstufe 1„Stallhaltung“ gehalten werden zwischen 1,5 und 2,2 Quadratmeter Platz pro Tier haben (je nach Gewicht der Tiere).5 In dieser Haltungsform wird empfohlen, dass die Tiere in einem Laufstall gehalten werden. Eine Anbindehaltung ist jedoch noch möglich.
Tiere dieser Haltungsform werden mit QS-zugelassenen bzw. QS-anerkannten Futtermitteln gefüttert. Unter QS-zugelassene Futtermitteln versteht man, dass die Futtermittel auf die Einhaltung von Grenz- und Richtwerten zum Beispiel für Mykotoxine (Mykotoxine sind giftige Stoffwechselprodukte, die von Schimmelpilzen gebildet werden.7) überprüft werden.6
Außerdem werden in der Haltungsstufe 1 die Antibiotikagaben und die Tiergesundheitskontrollen am Schlachthof in einer QS-Datenbank festgehalten.
Haltungsform 2: „Stallhaltung Plus“
Halten Landwirt:innen ihre Tiere unter der Haltungsform 2 „Stallhaltung Plus“ müssen die Rinder mindestens 3 Quadratmeter pro Tier (bei einem Gewicht von über 400 kg) haben.8 Handelt es sich um Ochsen oder Färsen haben diese einen ständigen Zugang auf einen Laufhof bzw. es besteht die Möglichkeit des Weidegangs. Die Anbindehaltung ist bei dieser Form verboten. Bei der Haltungsform 2 werden die Tiere mit QS-zugelassenen bzw. QS-anerkannten Futtermitteln gefüttert. Zudem werden in der „Stallhaltung Plus“ die Antibiotikagaben und die Tiergesundheitskontrollen am Schlachthof in einer QS-Datenbank festgehalten.
Haltungsform 3: „Außenklima“
Die Haltungsform 3 „Außenklima“ enthält bereits im Namen den ausschlaggebenden Punkt. So müssen Rinder in dieser Haltungsform einen dauerhaften Kontakt zum Außenklima haben. Dies wird erreicht, indem die Tiere in einem Laufstall mit einem angrenzenden Laufhof gehalten werden. Die Anbindehaltung ist verboten.
In dieser Haltungsform wird zwischen drei Optionen der Haltung unterschieden:
- Laufstallhaltung mit ganzjährig nutzbarem Laufhof (mind. 3m2/Tier im Laufhof) (Laufhof = eine mit Spalten- oder Betonboden ausgestattete eingezäunte Fläche am Stall.9)
- Laufstallhaltung mit Weidegang (mind. 120 Tage/6h)
- Offenfrontstall.
Die Fütterung während der Mastphase ist nur mit gentechnikfreiem Futter gestattet, mindestens jedoch sechs Monate vor der Schlachtung.10
Außerdem werden in der Haltungsstufe 3 die Antibiotikagaben und die Tiergesundheitskontrollen am Schlachthof in einer zentralen Datenbank vergleichbar zu der QS-Systematik festgehalten.
Haltungsform 4: „Premium“
Bei der letzten Haltungsform 4 „Premium“ (Höchste Stufe der Haltungsformen für Rinder) haben die Tiere einen ständigen Zugang zu einem Auslauf. Die Fläche/Tier im Laufstall variiert je nach Gewicht der Tiere zwischen 1,5 m2 bis 5 m2. Hier ist entweder ein Laufhof oder eine Weidenutzung möglich. Die Anbindehaltung ist verboten. Überdies werden in der Haltungsform „Premium“ die Antibiotikagaben und die Tiergesundheitskontrollen am Schlachthof in einer zentralen Datenbank vergleichbar mit der QS-Systematik festgehalten.
Die Fütterung während der Mastphase ist nur mit gentechnikfreiem Futter gestattet, mindestens jedoch sechs Monate vor der Schlachtung. Darüber hinaus müssen in der Haltungsform 4 mindestens 60 Prozent der Futtermittel aus dem eigenen Betrieb bzw. aus der Region stammen. Des Weiteren müssen 60 Prozent der Trockenmasse aus frischem, getrocknetem oder siliertem Raufutter in der Tagesration bestehen. Dies sind z.B. Gras, Heu oder Grassilage.
#farbebekennen – Unser Fazit:
Die Haltungsformkennzeichnung stellt eine Möglichkeit dar, dass die Verbraucher:innen die Lebensbedingungen ihres Rindfleisches und Haltungsformen für Rinder nachverfolgen können.
Bisher kommen lediglich rund 10 Prozent des Angebots aus der Haltungsform 4. Bei der Haltungsform 3 sind es sogar nur rund 3 Prozent.11 Der Grund hierfür sind die Kaufentscheidungen der Verbraucher:innen.
Fest steht, dass wir alle als Konsument:innen die Möglichkeit haben, einen Einfluss auf die Tierhaltung und damit auf die Art und Weise, wie ein Fleischrind lebt, zu nehmen.
1 BIZ: Haltungsformen für Milchkühe (Stand:27.02.2023)
2 Destatis: Tierhaltung: Dominierende Haltungsformen gewinnen weiter an Bedeutung (Stand: 24.02.2023)
3 Destatis: Tierhaltung: Dominierende Haltungsformen gewinnen weiter an Bedeutung (Stand: 24.02.2023)
4 haltungsform.de (Stand: 24.02.2023)
5 Kriterien und Mindestanforderungen für Tierwohlprogramme (Stand: 24.02.2023)
6 QS-Futtermittelmonitoring (Stand: 27.02.2023)
7 LAVES: Mykotoxine (Stand: 24.02.2023)
8 Kriterien und Mindestanforderungen für Tierwohlprogramme (Stand: 24.02.2023)
9 Universität Bern: Laufhof (Stand: 24.02.2023)
10 Kriterien und Mindestanforderungen für Tierwohlprogramme (Stand:24.02.2023)
11 VZHH: Wo ist das Fleisch aus besserer Tierhaltung? (Stand: 27.02.2023)