Frau Dr. Gaudig, bevor wir mit Ihnen über das eigentliche Thema sprechen, stellen Sie sich bitte kurz vor.
Mein Name ist Greta Gaudig. Ich habe in Rostock und Greifswald Biologie mit Schwerpunkt Landschaftsökologie studiert und mich schon in meiner Diplomarbeit mit Mooren beschäftigt, unter welchen Bedingungen schnell Torfmoos-Torfe akkumulieren. Seither erforsche und entwickle ich in einem Team an der Universität Greifswald und mit vielen Partnerinstitutionen, wie Moore klimafreundlich, also im nassen Zustand genutzt werden können. Thema meiner Doktorarbeit waren Torfmoose und ihr möglicher Anbau in Paludikultur. Im Jahr 2015 wurde das Greifswald Moor Centrum als Kooperation zwischen Universität Greifswald, Michael Succow Stiftung und DUENE e.V. gegründet, dessen Leiterin ich seither bin.
Bislang war das Moor Bestandteil von schaurigen Geschichten rund um Moorleichen oder versunkene Menschen. Was fasziniert Sie an diesem einmaligen Naturschauspiel der Moorlandschaft?
Bevor ich mich mit Mooren beschäftigt habe, waren sie für mich wie sie es beschreiben: mystisch, schaurig, unheimlich. Doch wenn man sie näher betrachtet, wird schnell klar: sie sind unheimlich schön! Intakte Moore faszinieren durch ihre Weite, Biodiversität, Stille. Grundsätzlich mag ich nasse Landschaften: das Meer, Flüsse, Seen und eben auch nasse Moore. Wer einmal die riesigen Moorlandschaften z.B. in Westsibirien oder Patagonien gesehen und erkundet hat, den lassen sie nicht mehr los. Es sind komplexe, sehr diverse Ökosysteme, die in Wechselbeziehung zwischen Wasser, Vegetation und Torf sowie mit der Umgebung entstehen und funktionieren. Außerdem sind intakte Moore Multitalente, die auch viele Leistungen für uns Menschen erbringen: sie speichern Kohlenstoff, halten Wasser zurück, filtern Wasser, sind Habitat für spezialisierte Arten, Archive der Landschaft u.v.m. Nur leider sind über 90% unserer Moore in Deutschland entwässert, so dass sie diese Leistungen immer weniger oder gar nicht mehr erfüllen können.
In den vergangenen Wochen und Monaten ist das Moor zu einem wahren Superstar des Klimaschutzes geworden. Was hat es damit auf sich?
Moore enthalten in ihren Torfen große Mengen Kohlenstoff. Weltweit ist es doppelt so viel, wie in allen Wäldern der Erde, und das obwohl Moore nur 3%, Wälder aber 30% der Landfläche bedecken. Weltweit sind ca. 15-20% der Moore entwässert, in Deutschland über 90% – v.a. um sie land- und forstwirtschaftlich zu nutzen. Entwässerung führt dazu, dass Sauerstoff in den Boden gelangt und mit dem Kohlenstoff zu CO2 reagiert, also als Treibhausgas freigesetzt wird. Deutschlandweit sind es ca. 53 Mio. t CO2-Äq. pro Jahr, also 7% der Gesamtemissionen und ca. 40% der Emissionen aus der Landwirtschaft. Um die Pariser Klimaschutzziele und die Ziele unseres eigenen Klimaschutzgesetzes einzuhalten, müssen diese Emissionen bis zum Jahr 2050 bzw. 2045 auf Null reduziert werden. Das ist allein durch Wiedervernässung der Moore zu erreichen.
Welche Effekte kann eine Wiedervernässung auf die Treibhausgasemissionen haben und was bedeutet sie zugleich für unsere Landwirtschaft/Tierhaltung?
Die CO2 Emissionen verhalten sich nahezu linear zum Wasserstand: je tiefer der Wasserstand, desto höher die CO2-Emissionen – ungefähr um 5 t pro ha und Jahr pro 10 cm Absenkung. Sorgen wir dafür, dass der Wasserstand wieder oberflächennah ist, dann stoppen wir quasi sofort die CO2 Emissionen. Kurzzeitig können Methanemissionen erhöht sein, diese kann man aber durch verschiedene Maßnahmen minimieren. Langfristig wäre eine anhaltende Entwässerung und damit verbundene CO2-Emissionen deutlich klimaschädlicher als ein kurz andauernder Anstieg der Methanemissionen.
Nasse Moorflächen bedeuten für die Landwirtschaft hierauf, dass Ackerbau und Tierhaltung nicht weiter wie bisher erfolgen können, denn diese basiert auf Entwässerung. Vielmehr sind neue Formen der landwirtschaftlichen Nutzung von Mooren zu entwickeln.
Welche Möglichkeiten der Wiedervernässung haben wir?
Um Moore wiederzuvernässen, müssen wir als erstes und v.a. aufhören, die riesigen Mengen Wasser ins Meer abzuleiten. Stattdessen sind die Entwässerungsgräben zu verschließen und das Wasser in der Landschaft, in den Mooren zurückzuhalten. Allein dadurch steigt der Wasserstand in den Mooren an. Um die nassen Moorstandorte weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen, ist eine Anpassung der Bewirtschaftung notwendig. Paludikultur ist die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung von wiedervernässten Mooren, die zum Torferhalt, perspektivisch sogar zur erneuten Torfbildung führt. Ungenutzte Flächen können der Naturentwicklung überlassen werden.
Wie nehmen Sie die Landwirt:innen mit, dass diese Ihre Arbeit unterstützen?
Viele Landwirt:innen erkennen, dass sie zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit selbst einen eigenen Beitrag leisten können und sehen ihre Flächen und eine klimafreundliche Bewirtschaftungsform auf diesen als Chance, für die Zukunft gerüstet zu sein und davon sogar gut leben zu können. Zahlreiche Fragen sind zwar noch ungeklärt, aber in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit rückt das Thema Moor immer mehr in den Fokus. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren zunehmend Anreize, Kapazitäten und Wertschöpfungsketten für die Umstellung der Bewirtschaftung auf Paludikultur geschaffen werden. Dazu sind wir am Greifswald Moor Centrum mit Politik, Bauern- und Naturschutzverbänden, Behörden, Wissenschaft, Wirtschaft und vielen mehr im Austausch.
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche wächst allein pro Tag um 52 Hektar, machen Sie sich keine Sorgen, dass wir zu wenig zu bewirtschaftendes Land für unsere Versorgung haben?
Die starke Versiegelung der Landschaft ist ein großes Problem und sollten wir deutlich reduzieren. Dabei geht es nicht nur um Zerschneidung von Landschaften, sondern insbesondere auch um die Verringerung von Flächen für Versickerung, Grundwasserneubildung, Kühlung und Habitate.
Unabhängig davon ist aus Klimasicht die Umstellung unserer Ernährung auf mehr pflanzliche Produkte zielführend. Werden weniger Tierprodukte konsumiert, sinkt auch der Flächenbedarf für die Herstellung unserer Nahrungsmittel.
Eine Frage zum Schluss: Wir alle – Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft – sind beim Thema Klimaschutz gefordert. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach wichtig, dass wir den Klimawandel gemeinsam abschwächen?
Um dem Klimawandel gemeinsam zu begegnen, müssen wir als erstes bewusster mit den Ressourcen umgehen, Natur als unsere Lebensgrundlage anerkennen und wertschätzen, mit dem, was die Natur gibt haushalten. Jeder und jede einzelne kann und muss ihren Beitrag leisten, aber es ist auch die Politik gefragt, die richtigen Anreize zu schaffen und dadurch eine lenkende Wirkung zu erzielen.
Vielen Dank für das Interview!