Christian, wie bist du darauf gekommen, dich auf Agrarrecht zu spezialisieren?
Bevor ich Fachanwalt geworden bin, habe ich als Ministerbüroleiter im Landwirtschafts- & Umweltministerium gearbeitet und viele Landwirte vertreten. Als die neue Fachanwaltschaft ins Leben gerufen wurde, war klar: Das machst du doch schon, also ran an den Lehrgang. So wurde ich einer der allerersten Fachanwälte für Agrarrecht in Niedersachsen. Was hat mich daran gereizt? Es ist die einzige Fachanwaltschaft, die nicht rechtsgebietsbezogen, sondern klientelbezogen ist. Wir machen alles für die grüne Wirtschaft: Vom Planfeststellungsbeschluss bis zum Cross-Compliance-Verstoß, von der Hofübergabe bis zum Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Kannst du uns kurz nochmal mehr in deinen Berufsalltag mitnehmen? Welche Aufgaben hast du auf deiner Agenda?
Man kommt ordentlich herum in unserem Land und in den rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Da geht es um Lieferverträge, Hofübergaben und jede Menge Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Behörden, die für Landwirte und die Agrarwirtschaft zuständig sind.
Was sind die aktuellen Themen eines Agrarrechtlers?
Bürokratie, Krisen und ganz große Chancen, die der Klimawandel für die Landwirtschaft in Deutschland bietet.
Und was ist daran besonders spannend?
Globalisierung, Krieg und Krisen können Chancen für unsere Landwirtschaft wie vor 200 Jahren bieten, als nach den Napoleonischen Kriegen die Stein- und Hardenbergschen Reformen neue Dimensionen der Leistungsfähigkeit hervorbrachten. Ohne die dadurch gestärkte Landwirtschaft hätte die industrielle Revolution nicht stattfinden können. Wenn nun alle Akteure zusammen für Entbürokratisierung, Forschung und Innovation einstehen, sehe ich eine goldene Zukunft für die deutsche Landwirtschaft!
Wir wollen heute insbesondere über Subventionen und Auflagen sprechen: Was müsste ich als Landwirt:in tun, um Subventionen zu bekommen?
Der Begriff Subvention ist in der Landwirtschaft nicht gerne gehört. Man spricht eher von Agrarbeihilfen, die für Agrarumweltmaßnahmen gezahlt werden und für Junglandwirte. Dadurch werden Betriebe künstlich aufgespalten und die Flächenbewirtschaftung an die Beihilfen angepasst. Man könnte also von einer subventionsoptimierten Bewirtschaftung sprechen. In Wirklichkeit wollen Landwirte jedoch keine Subventionen, sondern faire Preise für ihre hart erarbeiteten Produkte, die weltweit an der Spitze stehen, jedoch preislich häufig verramscht werden, um der Bevölkerung günstige Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, damit der soziale Frieden erhalten bleibt.
Wie und wo muss ich die Subventionen beantragen?
In Niedersachsen ist dafür die Landwirtschaftskammer zuständig, in anderen Bundesländern die Ämter für Landwirtschaft, die dann auch die Einhaltung der beihilferechtlichen Vorgaben überprüfen und bei Verstößen teilweise ganz erhebliche Abzüge vornehmen. Kleine Betriebe schaffen dies nicht ohne Berater und sind auf diese angewiesen und große Betriebe haben eigens geschulte Mitarbeiter.
Warum gibt es überhaupt Subventionen in der deutschen Landwirtschaft?
Unsere Landwirtschaft soll zu Weltmarktpreisen produzieren, aber dabei die hiesigen Standards einhalten, die in anderen Bereichen der Welt nicht gelten. Unser Sozialstaat wird im Wesentlichen über die Löhne finanziert, die dadurch die Produktion und die Produkte erheblich teurer machen, als es in anderen Ländern üblich ist, die über geringere Standards verfügen. Die Subventionen sollen diese Wettbewerbsnachteile, die durch den Standort Deutschland bedingt sind, ausgleichen. Und Landwirtschaft kann man nicht eben wie Industrie an einen anderen Ort verlegen.
Die Ausschüttung von Subventionen ist kompliziert, aber der größte Teil ist abhängig von der Fläche. Ist das noch zeitgemäß?
In der Verwaltungslehre bezeichnen wir Subventionen auch als Goldene Zügel des Staates. Mit ihnen lenkt er die Wirtschaft dorthin, wohin er es möchte und nicht, wohin die Wirtschaft möchte. Blühstreifen und Saatmischungen für die Feldlerche sind zwar schön anzusehen, stärken aber nicht den (Land) Wirtschaftsstandort Deutschland. Investitionen in Innovation und Forschung und Unterstützung neuer Züchtungen könnten auch für die Umwelt deutlich mehr bewirken.
Und jetzt das Ding mit der Wettbewerbsfähigkeit… Kannst du uns erläutern, wie verzerren Subventionen die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland, Europa und der Welt?
Richtige Subventionen können richtige Investitionen motivieren. Insofern halte ich sie für richtig und notwendig, wenn sie richtig eingesetzt werden. Die Subvention konnten das Höfesterben weder verhindern, noch verzögern. Solange man die Kosten der sozialen Absicherung auf Löhne und Gehälter schlägt, wird unsere Wirtschaft immer gegenüber anderen benachteiligt sein und braucht die Subventionen, um diese Benachteiligung zu kompensieren.
Kann man berechnen, wie teuer heimische Lebensmittel werden würden, wenn man sie nicht mehr staatlich subventioniert?
Vermutlich würden sie nicht teurer, sondern einfach nicht mehr in Deutschland produziert. Leidende wären nicht nur unsere Landwirte, sondern auch die Verbraucher in anderen Ländern, die dann auch höhere Preise für Lebensmittel bezahlen müssten. Will man das wieder mit Entwicklungshilfe für diese Länder ausgleichen?
Man sagt, die Subventionen und die Beantragung ist deswegen so kompliziert geworden, weil man versucht, sie immer mehr an Nachhaltigkeitsaspekte zu knüpfen. Kann das funktionieren?
Nein! Wir brauchen unbedingt eine deutliche Verschlankung bei der Beantragung, der Bewilligung und der Überprüfung von Agrarbeihilfen! Wie in anderen Bereichen auch muss der Grundsatz gelten: One Face to the Customer, also eine Stelle, die komplett für alle Belange der Landwirtschaftsverwaltung zuständig ist. Zurzeit sind das neben der Landwirtschaftskammer viele weitere Behörden vom Veterinäramt bis zum Gewerbeaufsichtsamt, die vielen Finanzbehörden sind noch gar nicht berücksichtigt.
Können wir Gelder so lenken, dass wir mehr Nachhaltigkeit erreichen?
Dazu müssen wir mal auf die Reset-Taste drücken und alle Vorschriften auf den Prüfstand stellen. Nur die notwendigen Auflagen und Verwaltungsverfahren dürfen bestehen bleiben, überflüssige Verwaltungsvorgänge und Einheiten müssen ersatzlos gestrichen werden. Das schafft sehr viel finanzielles Potenzial für Investitionen, die auf Forschung und damit auf Nachhaltigkeit gerichtet sind. Zu meiner Zeit als Leiter des Ministerbüros im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt in Schleswig-Holstein haben wir 3 Abteilungen und 16 Referate sowie 230 Gesetze, Verordnungen und Erlasse in den ersten 200 Tagen einfach mal gestrichen. Wenn dies heute jedes Bundes- und jedes Landesministerium täte, hätten wir nicht nur deutlich weniger Vorschriften, sondern auch erheblich weniger Mitarbeiter, die hohe Kosten für Gehalt und Altersvorsorge mit sich bringen.
Ist der ländliche Raum aus deiner Perspektive als Anwalt rechtlich besonders?
Ja, selbstverständlich! Nirgends, sonst gelten so viele Umweltvorschriften von Europäischer über Bundes – und Landesebene bis hin zu kommunalen Satzungen und Verordnungen, die es einzuhalten gilt. Jeder Bewohner des Ländlichen Raumes verstößt mindestens einmal am Tag gegen eine dieser Vorschriften, ohne es zu wissen. Das kann nicht sein und muss durch einen konsequenten Abbau von Vorschriften und eine verständliche und nachvollziehbare Gesetzgebung ersetzt werden.
Vielen Dank für das Interview!