Vor welchen Herausforderungen steht ihr aktuell bei euch im Unternehmen?
Ich glaube die größte Herausforderung, die wir bisher gemeistert haben, aber die zunehmend schwerer wird, ist: Der Wandel unserer Branche. Es gibt wenig Branchen auf der Welt, die sich in naher Zukunft so sehr wandeln müssen oder auch dürfen. Dabei müssen wir alle Stakeholder mitnehmen, ob es unsere Landwirte sind, ob es die Mitarbeitenden sind oder ob es die Kunden sind. Es wird sich sehr viel in unserer Branche tun. Dieser Wandel bleibt auch zukünftig eine der größten Herausforderungen.
Und was meinst du, wo geht die Reise in der Branche generell hin?
Wenn ich das wüsste, wäre es keine Herausforderung mehr.
Wir haben vor vielen Jahren mal gesagt, dass sich 20% des deutschen Marktes in einer Tierwohl Vermarktung befinden. Und wenn wir als Unternehmen 50% unserer Menge in diesem Markt vermarkten können, dann sind wir für die Zukunft gut aufgestellt. Das war jedoch vor den Pressemitteilungen von Aldi und Co. Danach haben sich die Prozente deutlich gewandelt. Wir als Unternehmen gehen jetzt schon auf 35% unserer Menge zu, die eine Tierwohlkennzeichnug erhalten. Und auf Gesamtdeutschland bezogen werden das deutlich mehr Prozent werden. Dieser Wandel wurde durch eine Aussage eines Unternehmens stark gepusht.
Auf eine staatliche Kennzeichnung warten wir jedoch schon die dritte Legislaturperiode in Folge. Es scheint, als wäre die staatliche Kennzeichnung in greifbarer Nähe. Aber das haben die Minister davor auch schon angekündigt. Kommt die staatliche Kennzeichnung, so wird diese den Wandel beschleunigen. Denn Sie nötigt nochmal mehr Kundschaft dazu, eine Aussage über Fleisch zu treffen. Darüber hinaus führt die Kommunikation dazu, dass sich mehr Verbraucher mit dem Thema „Wo kaufe ich eigentlich mein Fleisch? Wo kommt mein Fleisch her?“ beschäftigen werden.
Findest du, dass die Fleischbranche mehr Selbstreflexion braucht oder ist die Branche reflektiert?
Es gibt sicherlich viele gute Unternehmen, die das Thema Reflexion beherrschen und die durchaus noch ein bisschen lauter auftreten könnten. Es gibt sehr viele positive Beispiele in unserer Branche, die einen großartigen Job machen, die sich als Unternehmen, aber auch als Marke gut weiterentwickelt haben. Von daher glaube ich, dass es sehr viele Leuchttürme gibt. Aber es gibt sicherlich auch noch das ein oder andere schwarze Schaf.
In welchem Bereich habt ihr die größten Schwierigkeiten Arbeitskräfte zu bekommen?
Wir haben die größten Schwierigkeiten Fachleute in der Produktion zu finden. Ob es der Techniker ist, ob es der Fleischer ist oder ob es der Zerleger ist. Das wird die nächsten Jahre eine große Herausforderung.
Worin siehst du die Chancen für die Zukunft? Was wird besser?
Ich glaube, es gibt viele Chancen für die Zukunft. Für unser Unternehmen sehe ich das durchweg positiv. Wir haben eine Größenordnung, mit der wir zukünftig die ganze Komplexität, die auf unser Unternehmen zukommt, meistern können. Wir ziehen diese Kleinteiligkeit, also 20 Schweine so, 50 Schweine so und dann x Schweine so, aber auch magisch an. Dies können wir sehr gut, vielleicht sogar besser als manch ein Großer. Von daher werden wir uns zukünftig noch mehr auf diese Komplexität spezialisieren.
Zudem werden wir mit einem anderen Verbraucherverhalten konfrontiert werden, welches uns aktuell noch gar nicht bewusst ist. Gerade junge Leute können sich viel schneller über ihre Produkte, die sie konsumieren, informieren und werden diese Möglichkeit zukünftig auch deutlich mehr nutzen.
Vor allem die Gen Z schaut am Smartphone, wo das Fleisch herkommt oder wie der Nutri-Score ist. Wenn wir diese Generation verstehen und wissen, wie man solche Themen kommunizieren sollte, können wir diese Schnelligkeit der Infomationsverbreitung als Vorteil nutzen. Wir haben die letzten Jahre durch unsere vielen Programme, die wir hier am Standort händeln, lernen dürfen, wie positive Fleischkommunikation funktionieren kann. Das wird ein großer Schlüssel für die Zukunft sein, wie es uns gelingen wird, den Fleischkonsumenten der Zukunft zu erreichen!
Meinst du, dass die Moral der Verbraucher:innen, wenn es sich für alle wirtschaftlich verändert, an der Ladentheke aufhört? Oder wird sich das komplette Leben verändern, zum Beispiel, dass die Verbraucher nicht mehr viermal in den Urlaub fahren?
Es wird schwierig sein, das generelle Verhalten eines deutschen Konsumenten so zu verändern, dass er Lebensmittel anders priorisiert als beispielsweise seinen Urlaub. Das wird Jahrzehnte dauern. Aber die nachwachsenden Generationen werden eine andere Wertigkeit beziehen und vielleicht auch mit einem anderen Fleischkonsum groß. Damit wird auch das Thema Vertrauen in Produkte wieder ganz anderes priorisiert werden. Nicht im Sinne von Food Safety oder anderen Themen, sondern mehr in Richtung Marken, weil der Konsument letztendlich ein Stück Vertrauen in ein Produkt hat und zudem ein Wiedererkennungswert vorhanden ist. Es kann sich in diesem Punkt noch eine Menge wandeln.
Habt ihr eine Initiative dafür?
Wir haben vor weit über zehn Jahren mit der Initiative Offenstall.com angefangen. Damals kam das Unternehmen Handelshof auf uns zu und hat nach einem besonderen Schwein oder einem besonderen Stück Fleisch gesucht, was geschmacklich und beim Tierwohl die höchsten Ansprüche erfüllt. Das war und ist ein sehr spannendes Projekt. Wir arbeiten immer noch eng und gut zusammen und bauen das Projekt zurzeit aus.
Wir haben viele Landwirte besucht und Erfahrungen in der Landwirtschaft sammeln dürfen. Dies war meine Initialzündung, welche mich wieder mit Landwirtschaft in Verbindung gebracht hat. Davor hatte ich Maschinenbau studiert und weniger Verbindung zur Landwirtschaft gehabt.
Auf einem der Höfe werden Berkshire Ebern in Reinzucht gezüchtet, der einzige Genpool, den es in Holland von diesen Tieren gibt. Von diesem Hof kaufen wir die Eber. Diese gehen dann zu einem Outdoor-Sauen-Betrieb, der mit 250 Sauen ganzjährig Outdoor-Ferkel für uns produziert. Die Ferkel kommen zur Mast in unseren Offenstall.
Bei uns werden die Schweine geschlachtet, um dann von einem kleineren Zerleger zerlegt und im Handelshof vermarktet zu werden. Also eine relativ lange und komplexe Wertschöpfungskette. Diese lange Wertschöpfungskette hat gezeigt, was sie an Positivem mit sich bringt. Danach sind relativ schnell weitere Wertschöpfungsketten entstanden.
Wir haben angefangen mit den Bunten Bentheimer Schweinen und mit der Aktivstall-Vermarktung. Irgendwann haben wir das Unternehmen Bedford getroffen, welches in Osnabrück sitzt und hochwertige Wurst und Schinken Artikel herstellt. Zusammen haben wir Landwirte besucht und festgestellt, dass die Offenstallhaltung gefördert werden muss. Eigentlich ist die Offenstallhaltung eine uralte Form der Haltung von Schweinen, aber sie ist in Vergessenheit geraten. Um einen Wandel hinzubekommen, müssen wir die Landwirte, die sich mit dem Thema Offenstallhaltung auseinandersetzen, unterstützen.
Zu der Zeit unserer Hofbesuche war gerade die Gründung der Initiative Tierwohl, bei der es in den Anfangsschritten um Standardisierung von Tierwohl ging. Das hat uns dazu bewegt, den gemeinsamen Verein Offenstall.com zu gründen.
Werden in eurer Schlachtung die Tiere von allen Haltungsformen zusammen geschlachtet?
Wir schlachten hier Haltungsformen 0 bis 6, also alles, was wir können. Dabei machen wir auch keine Unterschiede zwischen den Haltungsformen. Im Wartebereich haben die einen Tiere aus den höheren Haltungsformen ein bisschen mehr Platz als die Tiere aus den niedrigeren Haltungsformen. Aber was den Schlachtprozess angeht, gilt die Gleichbehandlung.
Stichwort Digitale Transformation. Was macht ihr genau gerade an Projekten oder was kommt in Zukunft?
Eine ganze Menge. KI ist ein Thema, mit dem wir uns befassen. Wir sind jetzt auch gerade in einige Projekten involviert. Digitalisierung im Allgemeinen ist ein großes Thema, weil wir durch die Komplexität eben sehr viel mehr Manpower die letzte Zeit aufgebaut haben. Ich hoffe, dass wir Prozesse schaffen, die es uns ermöglichen, die Komplexität der KI, mit unserem Team zu händeln.
Wir haben viele verschiedene Projekte schon am Laufen oder in der Überlegung. In der Verwaltung sind wir zum Beispiel dabei ein papierloses Büro in Richtung Landwirt und in Richtung Kunden zu etablieren. Zudem sind wir gerade daran, ein neues Forschungsprojekt in dem Bereich KI zu etablieren.
Digitalisierung ist bei uns ein grundlegendes Thema. Als ich angefangen habe war in unserer Branche sehr wenig digitalisiert. Was die Schlachtungen angeht waren wir schon immer Vorreiter. Mein Vater hat 1998 an diesem Standort ein neues Schlachthaus gebaut, damals eines der modernsten Europas. Diesen Wandel fortwährend anzutreiben ist aufgrund dessen, dass sich viel und vor allem immer schneller tut, ein großes Thema. Besonders in dem Punkt, alle Kollegen mitzunehmen, denn es werden regelmäßig neue Tools etabliert.
Wir probieren viel aus und arbeiten gerne mit neuen Startups zusammen. Es gibt beispielsweise ein digitales Schulungstool. In diesem bekommen unsere Mitarbeiter, bevor sie anfangen zu arbeiten, eine Willkommens-SMS mit einem Link. Über diesen bekommen sie digitale Schulungen in ihrer Muttersprache. Über dieses Tool haben wir Schulungen, bauen aber auch die Kommunikation zu den Mitarbeitern mehr und mehr auf.
Wie schätzt du die politische Unterstützung für die Landwirtschaft ein?
Dass die Politik uns wirklich zur Seite stand, habe ich selten in meinem Leben erlebt. Ganz in den Anfängen, als es noch darum ging, neue Märkte zu öffnen, Exportförderung, etc., da gab es noch eine Zusammenarbeit mit der Politik. Aber wir merken, dass, sobald wir als Schlachthof irgendwo auftreten, sich leicht distanziert wird. Zudem glaube ich nicht, dass wir darauf setzen können, große Hilfen zu bekommen.
War für dich schon immer klar, dass du das Familienunternehmen weiterführen willst? Du hast ja Maschinenbau studiert, bevor du die Position als Geschäftsführers angetreten hast.
Nein, ich wollte immer in einem anderen Beruf arbeiten und mein Vater hat immer gesagt, ich solle das machen was mir Spaß macht- jetzt sitze ich hier.
Ich habe viele Praktika in der Zulieferindustrie machen dürfen, habe mir auf der ganzen Welt Schlacht- und Zerlege-Betriebe angesehen und dort gearbeitet. Dabei habe ich festgestellt, dass ich diesen Beruf sehr spannend finde.
Was mich im Nachhinein stark fasziniert, ist: Wenn ich in den Supermarkt gehe und sehe, wie viele Produkte letztendlich von uns beeinflusst werden oder wo wir involviert sind. Dies zeigt mir, dass wir als kleiner Mittelständler und obwohl wir „nur“ ca. 15.000 Schweine in der Woche schlachten, das Konsumverhalten von morgen beeinflussen können. Das ist eine spannende Herausforderung, welche mich letztendlich nachhaltig begeistert.
Was sind deine Visionen für die Zukunft von Brand?
Ich erhoffe mir, dass wir vielleicht ein bisschen weniger Menge haben, aber dass das keine negativen Auswirkungen hat, weil es auf einem gesunden Niveau weitergeht.
Wir sind viel tiefer in unserer Wertschöpfungskette verwurzelt, in beide Richtungen. Wir haben einen wesentlich höheren Anteil an Programmen und nicht nur im Tierwohlbereich. Viele andere Attribute kommen dazu, bei denen wir großartige Aussagen über das Endprodukt Fleisch oder Wurst treffen können. Letztendlich haben wir hoffentlich eine gefestigte Mannschaft, mit der wir es schaffen jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Wichtig ist, dass das Thema Qualität wieder als primäres Ziel in den Vordergrund gestellt wird.
Was meinst du, würdest du besser oder anders machen als die vorherige Generation?
Was man bemängeln muss, ist das Thema Kommunikation und Transparenz. Das wir nicht offen gezeigt haben, was wir tun. Ich kann mich noch sehr gut an die erste Presse-Anfrage erinnern. Damals hatte der NDR angefragt, eine Reportage, die um 20:15 Uhr ausgestrahlt werden sollte, zu drehen. Wir hatten erst in der Familie und danach in der Führung der Firma eine Diskussion. Alle haben mir letztendlich abgeraten. „Das bringt uns keinen besseren Verkauf. Hinterher machen die was Negatives über uns.“
Wir haben uns trotzdem für den Dreh entschieden und den gesamten Betrieb gezeigt. Wir haben die komplette Schlachtung inklusive Entblutung, Betäubung gezeigt und es kam sehr viel positives Feedback, auch von vielen Kollegen. Danach waren viele Fernsehteams aus der ganzen Welt in unserem Unternehmen.
Was ist der beste Rat, den du jemals bekommen hast?
Gute Frage. Ich glaube, als ich mit einem guten Freund meines Vaters zusammengesessen habe und es darum ging, was ich eigentlich in meinem Leben machen möchte. Mir standen viele Türen in dieser Welt offen. Ich hatte das Thema Wirtschaftsingenieurwesen, BWL, mit ein bisschen Maschinenbau im Kopf oder eine kaufmännische Laufbahn zu gehen. Er fragte mich damals, was mich am meisten begeistern würde und gab mir den Rat, den Beruf zu wählen, in dem mein Herzblut steckt. Also mir keine Arbeit auszuwählen, in der ich keine Leidenschaft habe.
Das habe ich mir zu Herzen genommen und den Studiengang Maschinenbau gewählt.
Diesen Rat finde ich nach wie vor sehr gut. Auch ich rate jedem das beruflich zu machen was einem Spaß bereitet. Ich würde mir wünschen, dass sich dies viel mehr junge Leute zu Herzen nehmen.
Vielen Dank für das Interview!