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Interview

Wie sieht es am Ende der Wertschöpfungskette eigentlich aus?

Dr. Clemens Discherl

Wie sieht es am Ende der Wertschöpfungskette eigentlich aus? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, haben wir Herrn Dr. Clemens Dirscherl, Fachexperte für landwirtschaftliche Prozesse und Nachhaltigkeit bei der Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG aus Neckarsulm gefragt.

Herr Dr. Dirscherl, welche Kriterien spielen für Verbraucher:innen beim Einkauf von Fleisch eine maßgebliche Rolle?

Beim Thema Fleisch hat die Produktqualität, also die Frische und der Geschmack, ganz klar Priorität. Gleichzeitig achten viele Verbraucher auf den Preis. Sie möchten aber auch zunehmend wissen, unter welchen Bedingungen das Lebensmittel entstand, wie die Tiere gehalten wurden. Sie fragen nach dem Tierwohl und interessieren sich dafür, wieviel Platz den Tieren im Stall zur Verfügung steht und welches Umfeld sie haben, um ein artgerechteres Verhalten als in konventionellen Ställen zu ermöglichen.

Bei Schweinen ist zum Beispiel Stroh ein besonders vielfältiges Beschäftigungs- oder Wühlmaterial, das formbar ist, piekst und knistert, also Reizimpulse sendet. Zudem ist es als faserreiches Raufutter gut für den Magen-Darm-Trakt der Tiere. Wichtig ist natürlich auch der mögliche Kontakt zu frischer Luft durch weite Offenfronten des Stallgebäudes oder durch Auslauf nach draußen.

Warum sind Verbraucher:innen laut Umfragen bereit, mehr für Tierwohl auszugeben, dies spiegelt sich jedoch nicht im Kaufverhalten wider? Welche Zielkonflikte entstehen an der Fleischtheke?

In den vergangenen Jahren hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung zum Thema Ernährung geändert. Es geht zunehmend um Gesundheits- und Genusswerte und Tierwohlaspekte. Die Nachfrage nach Fleisch mit entsprechenden Tierwohlstandards steigt kontinuierlich an. Daraus ergeben sich die hohen Zustimmungswerte zur Zahlungsbereitschaft bei Tierwohl als Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsens. Andererseits wissen wir alle aus eigener Lebenserfahrung auch um die alltägliche Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das ist auch beim Einkauf so, man verhält sich nicht immer so konsequent wie eigentlich gewollt. Hinzu kommt, dass preisgünstigere Produkte ebenfalls eine sehr gute Produktqualität haben. An unseren Frischetheken nehmen wir unseren Kunden die Wahl ab, denn hier verkaufen wir ausschließlich Fleisch von Schwein, Pute und Hähnchen aus der Haltungsform Stufe 3 Außenklima. Zusätzlich führen wir seit Kurzem unter unserer Eigenmarke K-Classic ausgewählte Wurstprodukte ebenfalls aus Haltungsform 3.

Wie äußern sich Einkaufsverhalten und Preisbereitschaft der Verbraucher:innen hin zu Tierwohlfleischprodukten?

Das Interesse und die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten nehmen zu. Das konnten wir auch bei den Agrar- und Verbrauchermessen feststellen, wo wir erstmals mit unserem Wertschätze-Programm an die Öffentlichkeit gegangen sind. Ebenso wächst die Resonanz in unseren Filialen kontinuierlich, sowohl an unseren Frischetheken als auch im SB-Bereich. Daher haben wir unsere Sortimentsgestaltung bei Tierwohl im SB-Bereich ausgebaut und erweitert. Uns ist es wichtig, unseren Kunden diese Produkte nahezubringen, damit der Kauf für sie zukünftig zu einer Selbstverständlichkeit wird.

Wie kann ich als Verbraucher:in zu mehr Tierwohl beitragen?

Durch die transparente Kennzeichnung der Produkte haben es Verbraucher ganz leicht, sich für mehr Tierwohl zu entscheiden. Bei Fleisch- und Geflügelprodukten können sie sich bereits seit Längerem gut an der Kennzeichnung der vier Stufen der Haltungsformen orientieren. Unseren Kunden machen wir es besonders einfach, da wir seit Juli frisches Schweinefleisch ausschließlich aus der Haltungsform Stufe 2 anbieten sowie rund 30 Wurstprodukte aus der Stufe 2. Zudem haben wir bundesweit Schweinefleisch sowie Wurstwaren aus Haltungsform Stufe 3 Außenklima im Sortiment. Unter unserer neuen Eigenmarke K-Wertschätze vereinen wir neben Fleisch- auch Milch-, Joghurt- und Käseprodukte, die nach anerkannten Tierwohlstandards und -programmen zertifiziert sind.

Inwiefern tragen Sie als Handelsvertreter zu mehr Tierwohl bei?

Seit ihrer Gründung unterstützen wir die Initiative Tierwohl (ITW). Hier fördern Verantwortliche entlang der gesamten Wertschöpfungskette das Tierwohl in der Nutztierhaltung. Wir stehen für faire und langfristige Partnerschaften mit unseren Lieferanten und Vertragslandwirten. Für eine nachhaltige Verbesserung des Tierwohls ist es unerlässlich, dass möglichst viele Verbraucher das vierstufige System der Haltungsformen kennen und die so gekennzeichneten Produkte kaufen. Als Lebensmittelhändler ist es daher unsere Aufgabe, diese Produkte anzubieten, die Kunden hierüber zu informieren und sie so für den Kauf von Lebensmitteln aus verantwortungsvollerer Tierhaltung zu sensibilisieren.

Wie kann Tierwohl zukünftig finanziert werden? Welches Modell erachten Sie als sinnvoll?

Die ITW ist derzeit das beste System, um die Haltungsbedingungen möglichst vieler Tiere zu verbessern. Hier übernehmen Unternehmen aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel gemeinsam Verantwortung für Tierhaltung, Tiergesundheit und Tierschutz. Finanziell getragen wird dieses System durch die Fleischwirtschaft und den Lebensmittelhandel. Die ITW unterstützt teilnehmende Landwirte dabei, definierte Maßnahmen, die über die gesetzlichen Standards hinausgehen, zum Wohle ihrer Nutztiere umzusetzen.

Es wird oft suggeriert, dass der Handel auf Grund des geringen Fleischpreisniveaus daran schuld sei, dass die Wertschätzung der Verbraucher:innen gegenüber Fleischprodukten sinkt. Wie sehen Sie dies?

Viele Verbraucher legen großen Wert auf die Nachhaltigkeit der Produkte. Dabei achten sie, neben der Regionalität und Bio-Qualität, insbesondere auf eine verantwortungsvollere Tierhaltung. Gleichzeitig sind viele Verbraucher sehr preisbewusst. Eine nachhaltige und langfristige Veränderung des Verbraucherverhaltens braucht zudem Zeit. Uns ist es wichtig, alle Verbraucher auf diese Produkte aufmerksam zu machen und ihnen den Kauf von guten, gesunden und nachhaltigen Produkten zu ermöglichen. Dass unsere neue Tierwohlmarke K-Wertschätze heißt, zeigt unsere Haltung und ist eine klare Botschaft: Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten im Prozess, insbesondere gegenüber den Landwirten, deren Tieren sowie dem Fleisch.

Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit ein Mehr an Tierwohl langfristig gegeben ist?

Kaufland steht bereit, die entsprechenden Angebote auszuweiten und zu verbreitern. Eine nachhaltige Verbesserung des Tierwohls kann jedoch nur gemeinsam gelingen, hierzu brauchen wir eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Dafür machen wir uns, im Rahmen unseres Engagements in der ITW sowie in den direkten Beziehungen zu unseren Vertragslandwirten, stark. Viele Landwirte signalisieren uns ihr Interesse mitzumachen und die Bereitschaft, neue Tierwohlställe zu bauen. Selbstverständlich honorieren wir ihren Mehraufwand, den sie durch die Umstellung in der Tierhaltung haben. Hürden bei der Umsetzung sind jedoch oft Genehmigungsverfahren des Baurechts und des Immissionsschutzes. Viele Landwirte sind bereit, die Haltungsbedingungen ihrer Tiere zu verändern und eine moderne zukunftsgerichtete Tierhaltung umzusetzen, daher bedarf es dringend Anpassungen der bisherigen Vorgaben an die neuen, auch politisch gewollten Tierhaltungsformen, insbesondere mit Außenklima bzw. Auslauf.

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