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Welchen Beitrag leistet die Landwirtschaft, um bis 2045 klimaneutral zu sein?

Dr. Martin Hünerberg
Dr. Martin Hünerberg - Department für Nutztierwissenschaften, Abteilung für Wiederkäuerernährung an der GAU Göttingen

Die Landwirtschaft und die nachgelagerte Branche sind nicht nur an den Treibhausgasemissionen beteiligt. Sie sind auch ein Teil der Lösung, wie diese minimiert werden können. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein. In diesem Fragebogen geht es schwerpunktmäßig um den Einfluss der Rinderhaltung und der damit verbundene Methanausstoß auf die deutsche Klimabilanz.

Wir sprechen mit dem Experten Dr. Martin Hünerberg vom Department für Nutztierwissenschaften, Abteilung Wiederkäuerernährung der GAU Göttingen über den Einfluss der Rinderhaltung auf den Klimawandel und welche Lösungen es geben könnte.

Herr Dr. Hünerberg, Sie und Ihr Team forschen aktuell an den Auswirkungen der Rinderhaltung auf den Klimawandel. Doch dazu später. Starten wir erst einmal mit einer grundsätzlichen Frage: Was verstehen wir eigentlich unter klimawirksamen Treibhausgasen?

Treibhausgase verhindern aufgrund ihrer Struktur, dass Strahlung, die von der Sonne abgegeben wird und die dann auf die Erde trifft, wieder frei aus der Erdatmosphäre abgegeben wird. Sie reflektieren die Wärmestrahlung und sorgen so dafür, dass sich unsere Atmosphäre aufheizt. Sie sind also so etwas wie eine unsichtbare Isolierschicht, die die Erde davor bewahrt auszukühlen. Eine gewisse Konzentration an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre ist völlig normal, aber wenn ihre Konzentration zu hoch ist und das ist zurzeit leider der Fall ist, erwärmt sich die Erde zu stark. Es kommt zum Anstieg der Durchschnittstemperatur und Wetterextreme wie Hitzewellen oder Starkregen nehmen zu und der Meeresspiegel steigt.

In verschiedenen Forschungsprojekten konnte festgestellt werden, dass sich die drei wichtigsten Treibhausgase Lachgas, Methan und Kohlenstoffdioxid voneinander in ihrem Einfluss auf den Klimawandel unterscheiden. Worin besteht hier der Unterschied?

Lachgas (N2O), Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) unterscheiden sich deutlich in ihrer Zusammensetzung und ihrem Aufbau. Das hat auch großen Einfluss darauf, wie wirksam sie als Treibhausgase sind. Einer der Faktoren, der das beschreibt, ist das sogenannte Treibhauspotential, eine Maßzahl für ihre mittlere Erwärmungswirkung in der Atmosphäre. Das Treibhauspotential von Kohlendioxid, dem wichtigsten Treibhausgas, ist 1. Das ist sozusagen der Referenzwert für alle anderen Treibhausgase. Methan ist das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas und es ist 28-mal wirksamer als Kohlendioxid. Lachgas ist sogar 265-mal wirksamer als Kohlendioxid. 

Ein anderer, ganz wichtiger Unterschied ist die Zeit, die vergeht, bis das jeweilige Treibhausgas in der Atmosphäre abgebaut wird. Bei Methan geht das mit 12 Jahren relativ schnell. Bei Lachgas dauert es ungefähr 120 Jahre, also schon deutlich länger. Bei Kohlendioxid reden wir über hunderte von Jahren bis es abgebaut wird. Kohlendioxid hat also ein relativ geringes Treibhauspotenzial aber eine sehr, sehr lange Halbwertszeit in der Atmosphäre. Bei Methan ist es genau andersrum. Es ist wirksamer, bleibt aber im Vergleich mit anderen Treibhausgasen viel kürzer in der Atmosphäre.

Diskutieren wir über den Klimawandel und den Einfluss der Tierhaltung, kommen wir an dem Vorwurf, dass die Rinderhaltung und speziell der Methanausstoß große Mitverursacher des Klimawandels sind. Ist das Fakt?

Es ist richtig, dass bei der Erzeugung von Milch und Rindfleisch Treibhausgase frei werden. Allerdings ist es nicht gerechtfertigt Rinder als „große Mitverursacher“ des Klimawandels zu bezeichnen. Landwirtschaftliche Erzeugung ist insgesamt für 15 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. In Deutschland sind es etwa 8 Prozent. Knapp 5 Prozent der deutschen Gesamtemissionen sind direkt auf die Nutztierhaltung zurückführen, wobei etwa die Hälfte der Emissionen aus der Rinderhaltung stammt. Zum Vergleich: mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entstehen durch die Nutzung fossiler Energieträger im Verkehr, der Industrie und in Privathaushalten. Unser Problem ist also die Nutzung fossiler Energie und nicht in erster Linie die Haltung von Rindern.

Fragt man Experten zum Thema Methan unterscheiden diese zwischen fossilem und biogenem Methan. Warum ist dies wichtig und worin liegt der Unterschied?

Fossiles Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, das aus Kohlenstoff entstanden ist, der vor Jahrmillionen durch organische Masse gebunden wurde, genauso wie das bei Erdöl und Kohle der Fall ist. Werden nun große Mengen dieser fossilen Energieträger durch den Menschen genutzt, landet der vorher fossil gebundene Kohlenstoff als Kohlendioxid in unserer Atmosphäre. Die großen Mengen überfordern die Kapazität unsere Ökosysteme Kohlendioxid zu binden. Es kommt zu einer Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre. 

Im Gegensatz dazu ist biogenes Methan, wie es zum Beispiel im Verdauungssystem von Rindern entsteht, Teil eines Kreislaufs, bei dem eigentlich immer ähnlich viel Kohlenstoff frei wird, wie durch pflanzliches Wachstum aufgenommen werden kann. Es besteht eine Art Gleichgewicht. Kohlendioxid wird von Pflanzen gebunden. Die Pflanzen werden dann von Tieren gefressen und verdaut und aus einem Teil des gebundenen Kohlenstoffs entsteht Methan. Das Methan wird dann, z.B. von einer Kuh, abgegeben und das Methan wird in der Atmosphäre zu Wasser und Kohlendioxid abgebaut. Das Kohlendioxid wird dann wieder von Pflanzen aufgenommen und der Kreislauf setzt sich fort. 

Das bedeutet nicht, dass die Entstehung von biogenem Methan völlig unbedenklich ist, aber solange immer genug pflanzliche Biomasse als Senke zur Verfügung steht, ist der Effekt auf das Klima weniger negativ als der von fossilen Quellen.

Rinder wandeln nicht essbare Biomasse wie Gras in nährstoffreiche Lebensmittel wie Milchprodukte oder Fleisch um. Ist es nicht sinnvoller, wenn wir das Weideland für den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln nehmen?

Nein, das wäre sogar kontraproduktiv. Pro Hektar kann Weide- bzw. Grasland mehr Kohlendioxid binden als Ackerland. Wir müssen also im Sinne des Klimaschutzes unbedingt vermeiden, dass mehr Grünland in Ackerland umgewandelt wird – egal, ob für die Erzeugung von Nahrungs- oder Futtermitteln. Der Nutzen von Weideland geht aber weit über den Klimaschutz hinaus. Weideland trägt zum Erhalt der Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten bei, ist für den Trinkwasserschutz sehr wichtig und verhindert Erosion. Es gibt also viele gute Gründe Weideland zu erhalten und nicht in Ackerland umzuwandeln.

Was kann die Wissenschaft und vielleicht speziell die Wissenschaftler:innen des Fachgebietes Tierernährung unternehmen, dass wir den biogenen Methanausstoß aus der Rinderhaltung verringern können?

Tierernährer:innen arbeiten u.a. daran die Qualität von Futtermitteln zu verbessern und Nutztiere so zu ernähren, dass sie gesund und leistungsfähig sind. Beide Ansätze sorgen dafür, dass insgesamt weniger Treibhausgase durch die Produktion tierischer Nahrungsmittel entstehen, so zum Beispiel auch weniger Methan.  

Außerdem arbeiten einige Wissenschaftler:innen in der Tierernährung auch an Wirkstoffen, die die Bildung von Methan im Tier einschränken. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Verbindungen, von denen wir wissen, dass sie die Methanbildung reduzieren, ohne negativen Einfluss auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden von Rindern zu haben. Einige dieser Futterzusatzstoffe sind schon verfügbar, bei anderen wird es noch eine Weile dauern, bis sie in der Praxis zum Einsatz kommen.

Gibt es noch andere Möglichkeiten den Methanausstoß zu minimieren?

Ja, die gibt es. Zum Beispiel führt eine Verlängerung der Nutzungsdauer von Milchkühen dazu, dass Methanemissionen eingespart werden können. Wenn die Kühe einer Herde im Durchschnitt länger Milch geben, sie also älter werden ohne gesundheitliche Probleme zu bekommen, hat das zur Folge, dass Landwirt:innen weniger Jungtiere halten müssen um Tiere, die aus ihrer Herde ausscheiden zu ersetzen. So können Methanemissionen, die während der Aufzucht der Jungtiere frei werden, eingespart werden.

Außerdem gibt es Ansätze, Tiere zu selektieren, die natürlicherweise weniger Methan produzieren als andere. Das wäre langfristig ein sehr nachhaltiger Weg die Methanproduktion von Milchkühen oder Mastrindern abzusenken.

In etwas fernerer Zukunft könnte es auch sein, dass Impfungen gegen die Methanbilder auf den Markt kommen. Das ist sicher kein Ansatz der Landwirt:innen heute oder morgen zur Verfügung steht, aber in einigen Ländern wird zu dem Thema intensiv geforscht.

In den nächsten Jahren wird die Bevölkerung auf der Welt stark ansteigen. Dies lässt vermuten, dass die Nachfrage nach tierischen Produkten steigen wird. Wie können wir dieser Nachfrage gerecht werden und dennoch weiterhin den Klimawandel aufhalten?

Stimmt, auch wenn es deutliche regionale Unterschiede geben wird, ist davon auszugehen, dass die Weltbevölkerung weiterwächst und damit auch die Nachfrage nach tierischen Produkten. Zuallererst sollten wir weniger Nahrungsmittel verschwenden. Weltweit werden pro Jahr etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen. In Deutschland sind es 75 kg pro Einwohner darunter auch ein Gutteil tierischer Produkte. Das ist ethisch äußerst problematisch und auch sehr schlecht für das Klima.

Besonders bei tierischen Produkten sollten wir zusätzlich versuchen die Treibhausgasintensität weiter zu senken. Das heißt, möglichst wenig Treibhausgasemissionen pro kg erzeugter Milch oder kg Fleisch frei werden zu lassen. Hier können lange Nutzungsdauern von Tieren, einige Futterzusatzstoffe und der Einsatz von Futtermitteln, die einen möglichst geringen CO2-Fussabdruck erzeugen, einen wichtigen Beitrag leisten. 

Andere Maßnahme können sogenannte Offsets sein. Das bedeutet, dass man Treibhausgasemissionen, die sich nicht vermeiden lassen, durch Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle wieder kompensiert. Im Vordergrund sollte aber die Vermeidung von Treibhausgasemissionen stehen.

Wir danken Ihnen für das Interview!

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