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Was verbirgt sich hinter dem Siegel Haltungsform?

Haltungsform
Dr. Patrick Klein, Sprecher der Initiative Tierwohl und Haltungsform

Herr Dr. Klein, Tierwohl ist in aller Munde und wir von LAND.SCHAFFT.WERTE. haben uns in unserer aktuellen Kampagne das Ziel gesetzt, Tierwohl aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu beleuchten. In unserem neuesten Video schauen wir uns die unterschiedlichen Stallformen in Deutschland an und daher liegt es nahe, dass wir uns an dem Siegel Haltungsform orientieren.

Starten wir mit einer Frage zum Aufwärmen. Wie ist die Idee zu Haltungsform im Jahre 2019 eigentlich entstanden?

Bereits 2018 haben einige Unternehmen des LEH mit einer je eigenen Haltungskennzeichnung begonnen. Um eine Einheitlichkeit herzustellen, haben die in der Initiative Tierwohl (ITW) engagierten führenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels die ITW-Trägergesellschaft mit der Entwicklung und Umsetzung eines einheitlichen Systems beauftragt. Der Grundgedanke war und ist, Verbraucher*innen eine schnelle Kaufentscheidung anhand von Tierwohl-Aspekten zu ermöglichen, ohne die Leistung der einzelnen Tierwohl-Programme zu gefährden. Deshalb ordnet die Haltungsform-Kennzeichnung die Tierwohlprogramme lediglich in vier Stufen ein. Das Siegel der Programme bleibt dabei auf der Verpackung neben dem Siegel der Haltungsform-Kennzeichnung erhalten.

Wer sind die Beteiligten und von wem ging die Initiative aus?

Es machen die führenden Unternehmen des LEH mit. Das sind Aldi Nord, Aldi Süd, EDEKA, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny und REWE. Diese Unternehmen waren es, die 2018 die ITW-Trägergesellschaft mit der Entwicklung und Umsetzung der Haltungsform-Kennzeichnung beauftragt haben.

Die Einführung der Haltungsform-Kennzeichnung kann als Erfolgsgeschichte betrachtet werden. Inzwischen finden befragte Verbraucher*innen die vierstufige Siegel-Klassifikation deutschlandweit in über 20.000 Filialen der teilnehmenden Lebensmitteleinzelhändler. Diese kennzeichnen über 90 Prozent des einschlägigen Fleischangebots mit dem Haltungsform-Siegel. Bei den Verbraucher*innen kommt das Ganze ebenfalls gut an. Laut einer repräsentativen Befragung des renommierten forsa-Instituts vom Dezember 2020 haben fast die Hälfte der Deutschen das Siegel beim Einkauf bewusst wahrgenommen. 87 Prozent finden die Kennzeichnung der Haltungsform gut oder sehr gut. Und 79 Prozent der Bürger*innen in Deutschland sind davon überzeugt, dass durch die Kennzeichnung die Verbraucher*innen das Thema Tierwohl beim Einkauf stärker berücksichtigen.

Wie definieren Sie Tierwohl?

Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Grundsätzlich versteht man unter „Tierwohl“ eine ausbalancierte Mischung von Aspekten der Tiergesundheit, des Wohlbefindens und der Möglichkeit, arttypisches Verhalten auszuleben. Soweit die Theorie. 

In der Praxis bewegt sich „Tierwohl“ darüber hinaus immer auch im Spannungsfeld von Zielkonflikten. So geht es um die Frage, wie viel Tierwohl sich Verbraucher*innen leisten können oder wollen. Oder um die Herausforderung, dass Tierwohl freundliche Ställe, etwa im Bio-Bereich, oft eine schlechtere Umweltbilanz haben, weil sich Emissionen in der Freiland-Haltung im Gegensatz zur Haltung in Ställen nicht filtern lassen.

Umfragen zeigen, dass die Bereitschaft „Tierwohllabelfleisch“ zu kaufen bei der Mehrheit der Konsumenten*innen vorhanden ist. An der Kasse sieht es dann häufig anders aus. Welche Schritte sollten Ihrer Meinung nach getan werden, dass die geäußerte Bereitschaft sich auch in eine Kaufbereitschaft umwandelt? Oder gibt es noch zu wenig „Tierwohlfleisch“?

Es herrscht hier ein Denkfehler vor, wenn man glaubt, diese Herausforderung ließe sich einfach so von oben herab in einem einzigen großen Schritt erzwingen. Wir bei der ITW haben die Erfahrung gemacht, dass sich Tierwohl am besten durch einen evolutionären Prozess in die Breite tragen lässt. Man schaut sich an, wo stehen die Landwirt*innen und was sind die meisten Verbraucher*innen bereit mitzutragen? Und dann geht man kleine, machbare Schritte. So konnten wir viele Landwirt*innen mitnehmen und durch ein großes Engagement des beteiligten Handels auch die Verbraucher*innen.

Die Verbraucherzentrale hat in einem Statement Ende des Jahres 2020 deutlich gemacht, dass es sich bei Haltungsform – ihrer Meinung nach – um kein Tierwohl-Siegel handelt und fordert daher ein staatliches Tierwohlsiegel mit Kriterien, die deutlich über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Man muss hier unterscheiden zwischen Haltungskennzeichnungen und Tierwohl-Siegeln. Die Haltungsform-Kennzeichnung klassifiziert die im Markt aktiven Tierwohl-Siegel. Sie ist eine Haltungskennzeichnung und hat in erster Linie nicht den Anspruch, mehr Tierwohl zu schaffen, sondern es geht um Transparenz, um Einordnung für die Verbraucher. Die Forderung der Verbraucherzentralen zeugt von einem Missverständnis der Haltungsform und des Marktes. Die Haltungsform-Kennzeichnung soll keine Tierwohl-Siegel ersetzen. Im Gegenteil ist sie ohne diese gar nicht umsetzbar. Es geht darum, Tierwohl-Siegel zu stärken und ihre Leistungen den Verbraucher*innen näher zu bringen. Das würde übrigens auch für ein staatliches Tierwohl-Siegel gelten.

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