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Tierwohl in der Massentierhaltung

Dr. Christian Dürnberger

Wir führen in der Gesellschaft seit einigen Jahren eine doch sehr emotional geführte Debatte über Tierwohl, müssen wir uns besser reflektieren? Landwirtschaft und Verbraucher? Diese Frage haben wir uns gestellt und sind mit Dr. Christian Dürnberger ins Gespräch gegangen.

Ein Mann, der sich stark mit den Themen Tierethik und Tierhaltung beschäftigt hat. Wir freuen uns sehr, dass er sich unseren Fragen zum Thema Landwirtschaft gestellt hat.

Die Landwirtschaftsbranche befindet sich derzeit in einer großen Transformation, vermutlich in der Größten seinerzeit. Da braucht es auch mal einen philosophischen Impuls von außen.

Die spannenden Publikationen von Christian Dürnberger findet ihr auch hier: https://www.christianduernberger.at/buecher/

Stichwort Ethische Reflexionsfähigkeit: Was können Landwirte besser machen?

Ethik bedeutet, dass man über seine moralischen Grundüberzeugungen nachdenkt. Wir alle glauben meist zu wissen, was moralisch richtig ist – und was nicht. Dabei spielt jedoch Tradition eine wichtige Rolle. Wir tun, was als „normal“ gilt. Was auch andere tun. Was man immer schon so gemacht hat. Ethik beginnt, wenn man über all das selbstkritisch und vernunftgeleitet nachdenkt. Landwirte sind in diesem Sinne genauso zu ethischer Reflexionsfähigkeit aufgefordert wie jeder andere Beruf und jeder andere Bürger. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Vor allem, da Landwirte mit zwei besonders wichtigen Aspekten unmittelbar zu tun haben: mit Umwelt und Tieren.

Und was kann gleichzeitig der Verbraucher besser machen?

Der Verbraucher muss verstehen, dass er mit seinen Einkaufsentscheidungen maßgeblich mitentscheidet, wie Landwirtschaft abläuft. Wir alle sind es, die die Rahmenbedingungen vorgeben, innerhalb derer Landwirte arbeiten. Was sicherlich nicht hilfreich ist, sind Menschen, die große Erwartungen an Landwirtschaft rund um mehr Tierwohl oder mehr Klimaschutz richten, dann aber nicht entsprechend einkaufen. Darüber hinaus sollte der Gesellschaft klar sein, dass es kein Naturgesetz gibt, dass Landwirtschaft in unserem Land stattfindet. Produktion kann abwandern, wie wir es beispielsweise damals bei der Textilindustrie erlebt haben.

Zugleich muss uns das Folgende klar sein: Wenn wir wirklich der Überzeugung sind, dass es beispielsweise den Tieren in der Nutztierhaltung besser gehen soll, dann können wir auch nicht darauf warten, bis der Verbraucher endlich entsprechend einkauft. Denn was, wenn er dies nie tut? Hier würde ich mir mehr politischen Gestaltungswillen wünschen: Politik kann ja nicht nur bedeuten, darauf zu schauen, was die Mehrheit tut, sondern für seine politischen Ideen bei dieser Mehrheit zu werben.

Wie können sich Landwirte und Verbraucher in der gesellschaftliche Debatte wieder annähern?

Wir erleben eine Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Verbraucher, die wohl beispiellos in der Geschichte ist. Menschen wissen so gut wie nichts über Landwirtschaft. Zugleich möchte ich mit folgender These vielleicht ein klein wenig provozieren: Ist das nicht der Normalfall? Menschen wissen doch über so gut wie kein Berufsfeld wirklich Bescheid außer über das eigene. Und man kann auch in die „andere Richtung“ fragen: Was wissen denn die Landwirte über ihre Kunden in der „fernen“ Stadt? Was sicherlich wünschenswert wäre: Mehr unmittelbarer Kontakt. Denn wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, beginnt oftmals Verständnis, Zuhören und sich in die andere Person hineinzuversetzen – alles Dinge, die beispielsweise auf Social Media oftmals leider wenig Raum einnehmen.

Welchen gesellschaftlichen Herausforderungen werden sich Landwirte in Zukunft noch stellen müssen?

Wie heißt der alte Satz: „Prognosen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Ich persönlich rechne damit, dass das Thema „Klimakrise“ in den kommenden Jahren und Jahrzehnten alles andere zurückreihen wird. Auch die technischen Entwicklungen rund um „Cultured Meat“ werden die Nutztierhaltung herausfordern: Was spricht für echtes Fleisch, wenn Fleisch aus dem Labor ähnlich schmeckt und ähnlich teuer/billig ist? Schließlich – um eine dritte These zu nennen – werden die Konflikte rund um „Tourismus“ und „Landwirtschaft“ weiter zunehmen: Bauern arbeiten dort, wo andere Urlaub machen. Hier prallen oftmals nicht nur völlig verschiedene Perspektiven aufeinander, es scheint auch das Gefühl verloren zu gehen, was beispielsweise eine „Alm“ eigentlich ist, nämlich eine von der Landwirtschaft geprägte Kulturlandschaft, in der Wirtschaft betrieben wird.

Würden Sie persönlich den Beruf als Landwirt noch wählen zukünftig?

Da ich ihn nicht gewählt habe, wäre es übergriffig von mir, die Frage zu beantworten und damit quasi eine Empfehlung abzugeben. Klar ist: Der Beruf unterliegt einem Wandel, da sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Erwartungshaltungen ändern und Landwirtschaft niemals im luftleeren Raum stattfindet. Wir erleben in der Veterinärmedizin Ähnliches: Tierärzte, die in der Nutztierhaltung arbeiten, beklagen, so zeigt einer meiner Studien, die zunehmende Bürokratisierung, die gesellschaftliche Kritik (ohne dass die positiven Entwicklungen wertgeschätzt werden) oder auch politische Regulierungen, die oftmals das Gegenteil von dem erreichen, was sie bezwecken. Klingt nach keinem schönen Job, oder? Fragt man diese Tierärzte jedoch, ob sie den Beruf wieder ergreifen würden, sagt die überwiegende Mehrheit „ja“ – und gibt dafür auch Gründe an wie den produktiven Austausch mit Bauern. Wir sollten grundsätzlich besser verstehen, was Menschen an ihrem Beruf schätzen – nicht nur, was sie stresst. Vielleicht können wir gerade dann bestimmte Berufsfelder attraktiver gestalten.

Finden Sie die Debatten gerecht, der sich Landwirte stellen müssen?

Das kommt hochgradig auf die spezifische Debatte an – und auch auf den Stil der Kommunikation. Ist es beispielsweise sachlich fundierte Kritik? Oder schlicht und ergreifend „Hate speech“? Eine meiner Studien hat beispielsweise untersucht, was sich Bauern auf Facebook anhören müssen. Da gibt es übelste Beschimpfungen und Drohungen. In solch einem Fall kann man kaum noch von einer „Debatte“ sprechen. Grundsätzlich aber bin ich der Überzeugung, dass sich beispielsweise jeder Landwirt, der Tiere hält und mit Tieren Geld verdient, mit der Tierrechte-Position auseinanderzusetzen hat. Das bedeutet nicht, dass ich auf jeden Zwischenruf auf Facebook reagieren muss, aber ich sollte mich einmal grundsätzlich mit der Frage beschäftigt haben, welchen moralischen Umgang ich einem Tier schulde – und wie ich das für mich begründe. Diese Aufforderung steht auch in meinem Buch „Ethik für die Landwirtschaft“ – und hat mir auch viel Kritik von Bauern eingebracht. Dabei ist die Aufforderung gar nicht als Vorwurf zu verstehen. Jeder Mensch ist dazu angehalten, ab und zu selbstkritisch über seine moralischen Grundüberzeugungen nachzudenken. Also Ethik zu betreiben.

Welchen Umgang schulden wir einem Tier?

Zu dieser Frage gibt es weder in der Gesellschaft noch in der Philosophie einen Konsens – was ja gerade auch die Kontroversen zeitigt. Deutlich wird, dass die Ansprüche steigen. Früher argumentierte man klassisch „pathozentrisch“, sprich: Tiere in unserer Obhut sollen kein Leid erfahren. Heute aber wird mehr und mehr die Frage gestellt, was ein „gutes Leben“ eines Tiers eigentlich ausmacht. Und zu einem guten Leben gehört eben mehr als bloße Leidensfreiheit. Beispielsweise kann gefragt werden, inwieweit ein Tier sein angeborenes Sozialverhalten ausleben kann – oder nicht? Die zuvor genannte „Tierrechte“-Position ist mit diesen „Tierwohl“-Argumenten aber nicht zufrieden gestellt, denn sie sagt kurz zusammengefasst: Ein Tier hat ein Recht auf Leben, ohne von uns vernutzt zu werden. Tierwohl-Konzepte sind in dieser Perspektive – metaphorisch gesprochen – nur eine Verschönerung des Käfigs, in dem das Tier gehalten wird. Nicht aber die Abschaffung des Käfigs. Wichtig ist festzuhalten, dass sich diese tierethischen Fragen nicht nur mit Blick auf Nutztiere stellen. Wie ist es eigentlich mit unserer Verantwortung für Wildtiere bestellt? Oder kann man eigentlich bei Heimtieren immer von „Tierwohl“ ausgehen? Spoiler: Kann man nicht.

Ist Massentierhaltung artgerecht?

Ich tue mich mit dem Begriff der „Massentierhaltung“ schwer, da die Menge an gehaltenen Tieren relativ wenig darüber aussagt, wie es diesen Tieren geht. Beispielhaft: Ich kann 10 Kühe in einem veralteten Stall bei schlechten Bedingungen halten – und hunderte Kühe in einem neuen Stall mit moderner Technik und Auslaufmöglichkeiten bei weit besseren Bedingungen. Mir ist aber klar, was der Begriff der „Massentierhaltung“ transportieren soll: Er bezeichnet eine Wirtschaftsweise, die das Tier zur bloßen Nummer und Ressource degradiert und alles der Output-Maximierung unterordnet. Egal, ob wir von „artgerecht“ oder „tiergerecht“ sprechen, wird sich solch eine Wirtschaftsweise schwer damit tun, die Bedürfnisse der Tiere adäquat in den Blick zu bekommen.

Komplettieren Sie den Satz: Wenn ich als Schwein in der Massentierhaltung wieder geboren werden würde….

… ich glaube nicht an Wiedergeburten. Umso mehr sollten wir unser Leben im Hier und Jetzt gestalten.

Vielen Dank für das Interview!

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