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Ernährungsmythen

Dr Malte Rubach Ernährungsmythen
Dr. Malte Rubach (Foto von Ingolf Hatz)

In vielen Publikationen wird die These vertreten, dass der Konsum von Fleisch negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Aber ist das tatsächlich der Fall oder handelt es sich zum Teil um Ernährungsmythen?

Der Ernährungswissenschaftler, Referent und Autor Dr. Malte Rubach befasst sich seit mehr als 15 Jahren mit den Themen Ernährung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Innovation und widmet sich der Aufklärung von Ernährungsmythen.

Um mehr über Dr. Malte Rubach oder sein neues Buch „88 Ernährungs-Mythen: Was Sie über Ihr Essen wissen sollten“ zu erfahren, schaut einfach unter: https://mrexpert.de oder https://mrexpert.de/fleisch-verkuerzt-das-leben/.

Dieses Interview deckt einige gängige Ernährungsmythen auf und beleuchtet die Vor- und Nachteile von Fleisch.

Herr Rubach, bevor wir mit Ihnen über das eigentliche Thema Ernährungsmythen sprechen, stellen Sie sich bitte kurz vor.

Gemeinsam mit meiner Co-Geschäftsführerin Marjorie Rubach leite ich M.R.EXPERT – Food • Nutrition • Innovation, wo ich durch Vorträge und Bücher zu Themen wie Ernährung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Innovation Mythen aufkläre und Wissen vermittle, das ich als Ernährungswissenschaftler seit mehr als 15 Jahren gesammelt habe.

Die Ernährungstrends und -ansätze haben in den letzten Jahren vielfältige Veränderungen erlebt, von veganer Ernährung bis hin zu Low-Carb-Diäten. Es scheint, als ob immer mehr Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten überdenken. Gibt es Ernährungstrends, von denen Sie eher abraten würden?

Bei jedem Ernährungstrend, der bestimmte Lebensmittel oder ganze Lebensmittelgruppen kategorisch ausschließt oder sogar verbietet, sollte man kritisch sein. Wer beispielsweise auf Getreide verzichtet, ohne dass es dafür einen medizinischen Grund gibt, verzichtet gleichzeitig auf eine Reihe wertvoller Nährstoffe. Das Gleiche trifft aus meiner Sicht auch zu, wenn man auf Milch und Milchprodukte oder andere tierische Lebensmittel wie Fleisch oder Eier verzichtet. Die Nährstoffe müssen dann aus anderen Quellen ersetzt werden, im Extremfall durch Nahrungsergänzungsmittel. Das ist das Gegenteil von dem, was der Sinn von Ernährung ist, sodass man auch hier teils von Ernährungsmythen sprechen kann.

88 Ernährungsmythen

Gerne würden wir genauer wissen, warum Fleisch ein wichtiger Bestandteil in der Ernährung ist. Können Sie uns hierzu erläutern, welche Bedeutung, Gründe und Vorteile es von Fleisch für die Ernährung gibt?

Laut dem 12. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liefern Fleisch und Fleischerzeugnisse über ein Drittel der täglichen Proteinration in Deutschland. Wir sprechen von hochwertigem Protein, weil es optimal verdaulich ist und alle essenziellen Eiweißbestandteile enthält. Das lässt sich nicht so einfach durch pflanzliche Eiweiße ersetzen, weil sie gerade einzelne essenzielle Eiweißbestandteile in zu geringen Mengen enthalten. Aber auch B-Vitamine kommen in hohen Mengen und sehr guter Verfügbarkeit in Fleisch vor. Allen voran Vitamin B12, da stammen rund 50% der täglichen Zufuhr nur aus Fleisch. Eisen ist ein Klassiker, weil es ebenfalls in der Form, wie es in Fleisch vorkommt, nachweislich am besten in den Körper aufgenommen werden kann. Inzwischen gibt es auch immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, die anderen so genannten „meat-based bioactive compounds“ wie Cholin, Kreatin, Carnitin oder Taurin größere Bedeutung zuschreiben.

Angesichts dieser Vorteile würden wir gerne verstehen, ob es auch gesundheitliche Bedenken im Zusammenhang mit dem Konsum von Fleisch gibt. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, ob der Konsum von Fleisch das Krebsrisiko erhöhen kann. Könnten Sie uns Ihre Einschätzung zu dieser Frage geben und uns darüber informieren, wie diese mögliche Verbindung zwischen Fleisch und Krebsfällen erforscht wird?

Die Entstehung von Krebs ist immer als multifaktorielles Geschehen zu betrachten. In der öffentlichen Debatte über gesunde Ernährung wird aber teilweise absichtlich und teilweise wider besseres Wissen immer wieder ein monokausaler Zusammenhang mit dem Verzehr von Fleisch und Krebs hergestellt. Die Weltgesundheitsorganisation hatte 2015 eine Einstufung vorgenommen, wonach rotes Fleisch „wahrscheinlich krebserregend“ sei und verarbeitetes Fleisch wurde sogar als „krebserregend“ eingestuft. Was meist unerwähnt bleibt, ist die Tatsache, dass es sich dabei nur um eine Risikobewertung handelt und diese anhand der Studienlage insbesondere für Darmkrebs vorgenommen werden konnte. Rechnerisch würde demnach durch zu hohen Fleischkonsum eine Person mehr an Darmkrebs erkranken, als es ohne Fleischkonsum der Fall wäre. Diesen einen Fall in der Realität dann tatsächlich auf den lebenslangen Fleischkonsum zurückzuführen, ist medizinisch allerdings unmöglich, weshalb immer mehr Stimmen aus der Wissenschaft inzwischen fordern, eine neue Risikobewertung vorzunehmen. Oft wird so eine Risikobewertung dann auch wieder zurückgenommen, wie schon im Fall von Cholesterin oder auch Koffein geschehen. In Deutschland nimmt die Häufigkeit von Darmkrebs seit über einem Jahrzehnt stetig ab, obwohl der Fleischkonsum erst in den letzten Jahren etwas absinkt. Ich halte das Risiko daher für überschaubar.

Nicht nur der gesundheitliche Aspekt von Fleisch ist verstärkt in den Fokus gerückt. Auch die globalen Umweltauswirkungen sollen mit unseren Essgewohnheiten zusammenhängen und das Klima beeinflussen. Können Sie uns einen Überblick darüber geben, wie die Erzeugung und der Konsum von Fleisch die Umwelt und die Klimabilanz beeinflusst?

Man kann es drehen, wie man will, Fleisch hat in einer Ökobilanzierung immer einen der höchsten Fußabdrücke. Das trifft auf die Klimabilanz genauso zu, wie auf die Landnutzung oder den Frischwasserverbrauch. Doch die Vergleiche von Lebensmitteln in fast sämtlichen Publikationen enthalten oft zwei entscheidende Verzerrungen. Sie berücksichtigen weder die Proteinqualität noch die sonstige Nährstoffdichte. Kürzlich hat eine Arbeitsgruppe¹ die gängigen Klimabilanzrechnungen, die wir alle aus den Medien kennen, mit der Nährstoffdichte abgeglichen und dadurch ergeben sich bei Fleisch bis zu 10-Mal niedrigere Werte, bei Innereien wie Leber sogar fast um den Faktor 150. Einfach deshalb, weil wenig Menge dieser Lebensmittel bereits einen Großteil des täglichen Nährstoffbedarfs abdeckt. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für pflanzliche Lebensmittel und Fleisch weist immer noch die höchste Klimabilanz auf, aber in der Bewertung der gesamten Ernährung macht das einen Riesenunterschied. Die zweite Verzerrung ist nämlich, dass in den gängigen Darstellungen über die Umweltwirkung von Lebensmitteln immer ein Kilogramm Fleisch mit einem Kilogramm eines anderen Lebensmittels verglichen wird. Wir essen aber von keinem Lebensmittel Kilogramm. Das zeigt sich am Frischwasserverbrauch, ein weiterer wichtiger Faktor der Ökobilanz. Oft heißt es, Fleisch sei ein Wasserverschwender. Die Erzeugung von Fleisch verbraucht zwar viel Wasser, jedoch besteht unsere Ernährung mengenmäßig deutlich überwiegend aus pflanzlichen Lebensmitteln, die oft aus trockenen Erdregionen mit künstlicher Bewässerung stammen. So kommt es, dass Fleisch und Wurst in der Frischwasserbilanz der deutschen Ernährung nur 11% ausmachen, während pflanzliche Lebensmittel für 82% verantwortlich sind – der Rest sind Milch, Käse und Eier. Und das sind Zahlen vom WWF.²

Bevor wir zum Abschluss kommen, würden wir gerne ein wichtiges Thema ansprechen, nämlich die Rolle von Fleisch in Bezug auf die Ernährungssicherheit. Es gibt Argumente dafür, dass Fleisch dazu beitragen kann, den Hunger in der Welt zu lindern und Menschen satt zu machen. Können Sie uns näher erläutern, wie Fleisch in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt und welche Auswirkungen es auf die Ernährungssicherheit hat?

Es kommt auf die jeweilige Erdregion an, wie sehr Fleisch als Lebensmittel maßgeblich zur Ernährungssicherheit beitragen kann. Gerade in den warmen Regionen ist die Schweinehaltung kaum möglich, weil Schweine nicht schwitzen können. Klimatisierte Ställe wären unter Klimagesichtspunkten kontraproduktiv, solange die Energie nicht klimaneutral produziert wird. Die Rinderhaltung bietet sich schon eher an, allerdings vor allem an Grünlandstandorten für die Milcherzeugung und in zweiter Linie für die Fleischerzeugung. Der Grund liegt in der Nutzung von für Menschen nicht-essbarer Biomasse. Das macht ökologisch und ökonomisch Sinn. Allerdings müssten die Tierbestände konstant auf dem heutigen Niveau bleiben, damit sie nicht weiter zur Erderwärmung beitragen. Die Geflügelhaltung ist dagegen auch in wärmeren Regionen gut möglich, weshalb man sie zunehmend insbesondere in Asien und Afrika sieht. Zudem hat die Geflügelhaltung entgegen vielfacher Auffassung eine sehr gute Ökoeffizienz im Vergleich mit anderen Eiweißquellen. Das hat eine der umfassendsten Analysen der weltweiten Lebensmittelproduktion der University of Santa Barbara im letzten Jahr gezeigt.³ Letztlich wird in den Regionen mit zunehmender Bevölkerung die ein oder andere Variante der Erzeugung tierischer Lebensmittel notwendig sein, um die Proteinversorgung und -qualität sicherzustellen, die dort teilweise noch zu über 80% pflanzlich ist. Und auch zur Bedarfsdeckung von Nährstoffen wie Eisen, Jod, Vitamin A und B-Vitaminen. Die Häufigkeit von Unter- und Mangelernährung wäre sonst vorprogrammiert. Ohne tierische Lebensmittel ist Ernährungssicherheit unmöglich, weshalb mir das zurzeit überall vorherrschende Narrativ pflanzenbasierter Ernährung bis hin zu veganer Ernährung für alle eher kontrafaktisch vorkommt.

Vielen Dank für das Interview zum Thema Ernährungsmythen!

¹ Katz-Rosene, R., Ortenzi, F., McAuliffe, G.A. et al. Levelling foods for priority micronutrient value can provide more meaningful environmental footprint comparisons. Commun Earth Environ 4, 287 (2023)

² https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/WWF-Studie-Kuli-narischer-Kompass-Wasser.pdf, S. 33

³ Halpern, B.S., Frazier, M., Verstaen, J. et al. The environmental footprint of global food produc-tion. Nat Sustain 5, 1027–1039 (2022)

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