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Dürfen Nutztiere andere Nutztiere fressen? Was hat es mit der Verfütterung von tierischen Proteinen auf sich?

Steffen Reiter, Fokus Fleisch

Diskutieren wir über den Klimawandel und den Einfluss der Nutztierfütterung gelangen wir schnell zur Suche nach alternativen Eiweißquellen. Eine Option ist seit kurzem wieder die Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen. Diese waren seit der BSE-Krise als Futtermittel verboten. Die EU-Kommission und nun auch das EU-Parlament haben die Nutzung für die Futtermittelherstellung neuerdings empfohlen. Wir haben Steffen Reiter von Fokus Fleisch aus Bonn gefragt, was es damit auf sich hat.

Herr Reiter, wenn wir von tierischen Proteinen sprechen, haben wir sofort die Verwertung von ganzen Tierkörpern vor Augen. Was wird von den Tieren verwertet und als Futtermittel angeboten?

Bei der Fütterung verarbeiteter tierischer Proteine geht es um Eiweiße, die aus Nebenprodukten der Schlachtung und Zerlegung von Schweinen und Hühnern hergestellt werden, die prinzipiell auch für den Menschen genusstauglich sind. Und um es nochmal klar zu sagen, es geht ausdrücklich nicht um Tiermehl, also um zerkleinerte Fleisch- und Knochenreste, die als ungenießbar eingestuft wurden. Dieses ist weiterhin vollständig aus der Lebensmittelkette ausgeschlossen. 

Welche Vorteile hat diese Nose-to-Tail-Verwertung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit?

Schweine und Geflügel sind Allesfresser. Die verarbeiteten tierischen Proteine sind ein wertvoller Rohstoff, den wir sinnvoll einsetzen sollten. Diesen Rohstoff an Schweine oder Geflügel zu verfüttern ist ein erheblicher Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die Nebenprodukte enthalten, wie das vom Menschen verzehrte Fleisch, einen hohen Gehalt an Nährstoffen. Neben dem erwähnten Protein ist das vor allem Phosphor. Phosphor ist eine endliche Ressource, die wir nicht wegwerfen dürfen, sondern sicherstellen müssen, dass sie dem Nahrungsmittelkreislauf erhalten bleibt. 

Sind tierische Proteine eine Alternative für das gängige Soja?

Das sind sie. Sie können helfen, den Import von Proteinrohstoffen wie Soja zu verringern.

Von welchem Anteil an verarbeiteten tierischen Proteinen bei der gesamten Menge an Proteinträgern werden wir zukünftig sprechen?

Derzeit werden etwa 75 Prozent des Proteinbedarfs in der Nutztierfütterung aus heimischen Quellen gedeckt. Mit der Verfütterung verarbeiteter tierischer Proteine könnte dieser Wert weiter gesteigert werden. Komplett ersetzen kann es das Soja aktuell nicht. Hier bleibt es weiterhin wichtig auf heimische oder nachhaltig zertifizierte Quellen zu setzen.

Welche Tiere werden mit diesen Produkten gefüttert?

Schweine und Geflügel, dürfen nach der Aufhebung des Verfütterungsverbots durch die EU jetzt wieder mit verarbeiteten tierischen Proteinen gefüttert werden. Die Fütterung an Wiederkäuer bleibt auch weiterhin verboten.

Welche Tiere werden zu tierischen Proteinfuttermitteln verarbeitet?

Es werden verarbeitete Proteine vom Schwein an Geflügel und Geflügelproteine an Schweine verfüttert.

Ist diese Art der Verwertung sicher für die Verbraucher:innen, wenn sie Fleisch von Tieren konsumieren, die mit tierischen Proteinquellen gefüttert wurden?

Eine Gesundheitsgefährdung für Verbraucher aufgrund der Verfütterung tierischer Proteine an Schweine und Geflügel hat es nie gegeben! Das vollständige Verfütterungsverbot wurde erlassen, um die Verfütterung an Wiederkäuer mit 100%iger Sicherheit zu verhindern. Denn so wurde verhindert, dass tierische Proteine überhaupt erst in Futtermittel gelangen, die dann versehentlich oder vorsätzlich an Wiederkäuer verfüttert werden könnten. Die Frage der Wiederzulassung bezog sich allein darauf, wie man eine Kontamination von Wiederkäuerfutter vermeiden kann und wie die kreuzweise Verfütterung an Schweine und Geflügel sichergestellt und kontrolliert werden kann. Wobei die kreuzweise Verfütterung ebenfalls keine gesundheitliche Begründung hat, sondern eine ethische. Die EU-Kommission hat sich trotzdem Ihre Entscheidung, das Verfütterungsverbot teilweise wieder aufzuheben nicht leicht gemacht. Es wurden dazu spezielle Gutachten bei der European Food Safety Authority (EFSA) angefertigt. Im Kern bestätigten diese, dass die Verwendung von verarbeiteten tierischen Proteinen von Geflügel beim Schwein und umgekehrt kein Risiko darstellen. Es gibt also keinen Grund, die Vorteile nicht zu nutzen und Schweineproteine an Geflügel und Geflügelproteine an Schweine zu verfüttern. Die Verarbeitung der Schlachtnebenprodukte zu verarbeiteten Proteinen geschieht zudem mit speziellen Verfahren.

Wie werden diese Futtermittel kontrolliert?

Die Lagerung, Verarbeitung und auch die Vermarktung erfolgt komplett autark von den übrigen Schlachterzeugnissen. Eine vollständige Veterinärüberwachung sowie die lückenlose Dokumentation ab der Schlachtung bis einschließlich Futtermittelproduktion gewährleistet die Sicherheit der Nutzung von verarbeiteten tierischen Proteinen bei der Mischfutterherstellung.

Ist es ethisch vertretbar, dass wir verarbeitete tierische Proteine verwenden?

Nose to Tail also die Verwertung des ganzen Tieres ist heute schon Realität, da alles, das nicht gegessen wird, anderweitig genutzt werden kann. Oberste Priorität hat es, möglichst viele Teile eines Tieres als Lebensmittel zu nutzen. Dabei hilft z.B. auch der Export, wenn Teile, die hier nicht nachgefragt werden, aber in anderen Ländern als Delikatessen dorthin geliefert werden. Dort wo der Einsatz als Lebensmittel nicht möglich ist, wird trotzdem nichts weggeworfen. So dient zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse von Schweinen der Medizin. Aus der Drüse wird das für Diabetiker lebenswichtige Insulin gewonnen. Heparin, das lebensrettende Mittel zur Hemmung von Blutgerinnung, wird aus dem Darm des Schweines extrahiert. Die Nebenprodukte der Schlachtung, die nicht wie beschrieben verwendet werden können, müssten entsorgt werden. Das ist sicher nicht nachhaltig, wenn es, wie jetzt durch die EU gestattet, eine bessere Einsatzmöglichkeit gibt.  

Beim Thema Nachhaltigkeit können wir den Fleischkonsum nicht außer Acht lassen. Sollten wir Ihrer Meinung nach unseren Fleischkonsum in Deutschland minimieren oder sogar halbieren?

Zunächst einmal entstammen die Treibhausgase, die bei der Produktion von Nahrungsmitteln – egal ob pflanzlich oder tierisch – anfallen aus einem natürlichen Kreislauf. Ganz anders ist das bei der Nutzung fossiler Energieträger wie Kohl, Öl und Gas. Hier wird im Boden gebundenes CO2 zusätzlich in die Atmosphäre befördert. Deswegen fällt der Klimawandel zusammen mit der Industrialisierung und nicht mit der Tierhaltung. Eine Halbierung des Fleischkonsums würde Deutschland dem Klimaziel um maximal einen Prozentpunkt näherbringen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass ein geringerer Fleischkonsum einen Anstieg des pflanzlichen Nahrungsmittelbedarfs und der daraus resultierenden Emissionen mit sich bringen würde.

Das soll aber nicht heißen, dass wir uns zurücklehnen können. Die Fleischwirtschaft wird durch eine klimaeffiziente Produktion den erforderlichen Beitrag zur Verringerung der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen leisten. Auf diesem Weg helfen, wie in allen anderen Sektoren auch, Wissen und Innovationen.

Im Übrigen bleibt bei den Debatten leider meist unberücksichtigt, dass tierische Erzeugung und Pflanzenproduktion unmittelbar zusammenhängen. Mit jedem Kilo veganer Nahrung fallen 3-4 kg nicht essbare Pflanzenmasse an. Was kann nachhaltiger sein, als diese durch den Tiermagen in hochwertige Lebensmittel umzuwandeln. Darüber hinaus liefern die Tiere – quasi klimaneutral – den Wirtschaftsdünger gleich mit. 

Vielen Dank für das Interview!

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