Futtermittelproduktion – Ist Nutztierfütterung noch nachhaltig?

Dr. Hermann-Josef Baaken zur Nutztierfütterung
Dr. Hermann-Josef Baaken, Geschäftsführer des Deutschen Verbands Tiernahrung e.V.

Deutschland hat sich – im neuen Klimaschutzgesetz – dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Auch die Landwirtschaft wird ihren Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten müssen. Welchen Einfluss und welche Lösungen hat die Futtermittelwirtschaft hierbei?
Wir haben bei Dr. Hermann-Josef Baaken, Geschäftsführer des Deutschen Verbands Tiernahrung e.V. aus Bonn, nachgefragt, wie die Futtermittelbranche sich zu diesem Thema positioniert und die Nutztierfütterung noch nachhaltig ist.

Herr Dr. Baaken, welchen Einfluss hat die Futtermittelproduktion und der Import auf unser Klima? 

Bei der Futtermittelproduktion entsteht eine hohe und negative Klimawirkung durch Landnutzungsänderungen für den Anbau von Rohstoffen. Soja und Palmöl sind vor diesem Hintergrund die wohl prominentesten Beispiele, da ihre Produktion für die Nutztierfütterung häufig mit der Umwandlung ökologisch wertvoller Flächen in Verbindung gebracht wird. Die deutsche Mischfutterindustrie setzt sich dafür ein, die schädlichen Klimawirkungen durch Landnutzungsänderungen und Entwaldung zu reduzieren. Dafür wurden europaweit gültige Leitlinien für eine nachhaltige Sojabeschaffung entwickelt. Viele deutsche Unternehmen haben sich zudem durch eine Selbstverpflichtung zum Einsatz von nachhaltig produziertem Soja und Palmöl bekannt. Effiziente Ackerbausysteme können zusätzlich dabei helfen, den Flächenbedarf für den Rohstoffanbau (bzw. nicht weiter auszuweiten) und somit die Auswirkungen der Landnutzungsänderungen zu reduzieren.

Steht der Futtermittelanbau in Konkurrenz zu unserer Lebensmittelproduktion?

Ob ein Konkurrenzverhältnis zwischen Lebens- und Futtermittel besteht, kommt auf den Rohstoff an. Rund 35 Prozent (8,5 Millionen Tonnen) aller im Mischfutter verwendeten Rohstoffe sind Getreidearten wie Weizen, Roggen, Gerste und Hafer (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2021). Lässt man die Qualitäts- und Verarbeitungsaspekte außer Betracht, besteht bei diesen Futtermittelkomponenten durchaus ein Konkurrenzverhältnis zum direkten menschlichen Konsum. Vorausgesetzt man bezieht sich ausschließlich auf die Getreidekörner. Die Futtermittelhersteller verwenden jedoch das ganze Getreide in ihren Rezepturen also auch die Nebenerzeugnisse wie Schalen und Keimlinge, die bei der Lebensmittelproduktion als Nebenprodukt abfallen und in Form von Weizenkleie in der Nutztierfütterung weiterverwertet werden. Insgesamt fällt ein Großteil der eingesetzten Ressourcen (8,8 Millionen Tonnen) bei Verarbeitungsprozessen in der Lebensmittel-, Getränke- und Bioethanolherstellung an (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2021). Diese sogenannten Neben- und Koppelprodukte wie Kleberfutter, DDGS und Trester stehen nicht in direkter Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Durch die Verarbeitung dieser Rohstoffe trägt die Futtermittelproduktion zu einer effizienten Ressourcennutzung und zur Schließung von Nährstoffkreisläufen bei. Ein weiterer bedeutsamer Faktor ist die Verwertung des Grundfutters. Grundfutter sind frisches Gras, Heu, Silagen und Stroh. Diese Futtermittelkomponenten stehen nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Erst durch die Verwertung im Tier können diese Rohstoffe für die menschliche Ernährung in Form von hochwertigem tierischem Protein nutzbar gemacht werden.

Diskutieren wir über den Klimawandel und den Einfluss der Tierhaltung, kommen wir an der Herkunftsfrage unserer Futtermittel, speziell Soja, nicht umher. Woher kommt eigentlich das hier verfütterte Soja?

Insgesamt hat die Futtermittelbranche im Jahr 2020 rund 2,4 Millionen Tonnen Soja in Mischfutter für die Nutztierfütterung verarbeitet (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2021). Soja wird in der Mischfutterindustrie überwiegend in Form von Sojaschrot eingesetzt. Dabei kann das sogenannte „Crushing“ der Sojabohne (Trennung von Schrot und Öl) entweder im Produktionsland erfolgen, sodass Sojaschrot als Nebenprodukt importiert wird oder durch einen Händler/Verarbeiter im Importland. Im letzteren Fall wird dann die Sojabohne als unverarbeitetes Produkt importiert und erst im Zielland weiterverarbeitet, wobei dann das für die Futtermittelbranche wichtige Sojaschrot anfällt. Nach vorläufigen Angaben des statistischen Bundesamtes für das Jahr 2020 wurden insgesamt 3,9 Millionen Tonnen Sojabohnen nach Deutschland importiert. Die höchsten Importanteile hatten dabei die USA mit rund 1,9 Millionen Tonnen und Brasilien mit rund 1,4 Millionen Tonnen (Destatis). Dies sind die Hauptherkunftsländer des in der Futtermittelindustrie eingesetzten Sojas. Weitere Importeure von Sojabohnen sind nach Angaben des OVID- Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e.V. die Europäische Union (EU-28) mit ca. 0,7 Millionen Tonnen und Kanada (OVID). Neben den Sojabohnen wurden weitere 2,5 Millionen Tonnen Sojaschrot nach Deutschland importiert (OVID).

Ist der deutsche Sojaimport ein Hauptgrund für die Zerstörung des Regenwaldes?

Nein. Die deutsche Mischfutterindustrie hat sich zusammen mit ihren europäischen Branchenkollegen auf eine nachhaltige Sojabeschaffung verständigt. Dazu wurden bereits im Jahr 2015 Leitlinien für einen sozial und ökologisch nachhaltigen Sojaanbau verabschiedet, deren Anwendung den Bezug von brasilianischem Soja, das unter Anwendung des Soja-Moratoriums fällt, untersagt. Die Leitlinien wurden im Jahr 2019 angepasst und um das Kriterium der Entwaldung und Landnutzungsänderung ergänzt. Die neuen FEFAC- Leitlinien traten am 1. Januar 2022 in Kraft. Die Branche ist zuversichtlich, damit verstärkt zum Erhalt von Wäldern und wertvollen Ökosystemen beizutragen. Erhebungen des DVT aus dem Jahr 2020 haben ergeben, dass bereits 60 Prozent des verwendeten Sojas entsprechend den FEFAC- Leitlinien (2015) eingekauft wurden und zwei Drittel des verwendeten Sojas aus Gebieten mit per Definition geringem Entwaldungsrisiko stammten. Dieser Erfolg zeigt, dass dem Schutz des Regenwaldes und wertvoller Ökosysteme wie dem Cerrado nicht mit Importbeschränkungen gedient ist, sondern mit fundierten Zertifizierungssystemen, die klare Richtlinien für den nachhaltigen Anbau vorgeben und damit die Anforderungen an den Anfang der Kette adressieren.

 Sind wir denn auf diesen Import überhaupt angewiesen?

Eine 2021 erstmals von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angefertigte Proteinbilanz zeigt, dass bereits 75 Prozent des Proteinbedarfs für eine adäquate Versorgung unserer Nutztiere aus heimischen Futterquellen bezogen wird. Die mengenmäßig wichtigsten heimischen Eiweißlieferanten für die Nutztierfütterung sind Raufutter (Gras, Silage) und Getreide. Die Bilanz zeigt aber auch, dass ca. 2,7 Millionen Tonnen Rohprotein zusätzlich benötigt werden, um die tiergerechte Ernährung des derzeitigen Nutztierbestandes sicherzustellen. Es ergibt sich also eine Proteinlücke von 25 Prozent. Diese 25 Prozent müssen derzeit über Importe verfügbar gemacht werden. Importiert werden daher Rohstoffe mit möglichst hohem Proteingehalt. Ölkuchen- und schrote aus Soja haben einen durchschnittlichen Rohproteingehalt von 43-45 Prozent. Höhere Proteingehalte liefern nur tierische Proteinquellen. Dazu kommt, dass sich das Aminosäuremuster der Sojapflanze exzellent für die Versorgung der Nutztiere eignet. Daher hat Soja seine unverzichtbare Bedeutung in der Fütterung der Nutztiere und trägt dazu bei, die Ausscheidung der Tiere an überschüssigem, nicht in das Aminosäuremuster der Tiere passendem Protein zu reduzieren. Dies senkt die Nitrat- und Ammoniakbelastung durch die Tierhaltung. Geschickt und mit viel Wissen kombiniert trägt Soja in Ergänzung mit freien Aminosäuren zur Entlastung der Umwelt bei. Der Import über weite Strecken aus Drittländern erscheint daher durchaus gerechtfertigt. Solange nicht alle essenziellen Aminosäuren als freie Aminosäuren in ausreichender Menge und damit auch kostengünstig zur Verfügung stehen, entsteht am Ende ein ökonomischer und sogar ein ökologischer „Bedarf“ an Sojaextraktionsschrot und anderen pflanzlichen und tierischen Eiweißquellen.

Sollten wir Soja nicht lieber in Deutschland oder in Europa anbauen?

Die moderne Tierernährung ist auf global gehandelte hochwertige Proteinträger angewiesen, um die Tiere optimal ernähren zu können. Daher gilt es, die weltweit zur Verfügung stehende Menge an Agrarrohstoffen sinnvoll einzusetzen und die Vorzüglichkeit jeder Region bei der Produktion von Lebensmitteln zu nutzen. Agrarrohstoffe, also auch Soja, an Gunststandorten anzubauen, die optimale Wachstumsbedingungen für die Pflanze bieten, ist aus ökologischer Sicht sinnvoll und trägt zur weltweiten Versorgung mit Nahrungsmitteln bei. Im Hinblick auf Ökoeffizienz und Nachhaltigkeit ist der Anbau von Agrarprodukten in klimatisch begünstigten Zonen daher zu fördern. Für Europa sind dies in erster Linie Getreide, Raps und Mais. Soja hingegen findet in Lateinamerika optimale Bedingungen.

Gibt es denn Alternativen zum Sojaimport?

Für die Forderungen einer stärker auf Kreislaufwirtschaft basierenden landwirtschaftlichen Produktion müssen die verschiedenen wertbestimmenden Inhaltsstoffe der zur Verfügung stehenden Proteinquellen und ihre Verfügbarkeit für den Stoffwechsel im Tier berücksichtigt werden. Statt der Eiweißversorgung steht die Aminosäureversorgung bei der Nutztierfütterung im Vordergrund, sodass sich daraus eine Vielzahl von alternativen Möglichkeiten der Versorgung ergeben. Hierzu zählen die tierischen Proteine, Insektenprotein oder Algen sowie Lupinen ebenso wie die Futterzusatzstoffe. Wichtig ist, dass alle zur Tierernährung eingesetzten pflanzlichen und tierischen Eiweißträger möglichst genau den Bedarf der Tiere an praecaecal verdaulichen Aminosäuren abbilden.

Vielen Dank!

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